Korruptionsermittlungen hatten sein Ansehen als integrer Politiker beschädigt. | Tokio. Kurz vor halb sechs Uhr am Samstagmorgen setzte sich Roh Moo-hyun, bis Anfang letzten Jahres der Präsident von Südkorea, in seinem Landhaus in Bongha an den Computer und schrieb eine Abschiedsnotiz an seine Frau und seine zwei Kinder. "Seid nicht zu traurig. Leben und Tod gehören zur Natur", lauteten seine Worte. "Macht niemandem Vorwürfe. Dies ist Schicksal."
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Dann wanderte der 62-Jährige mit einem Leibwächter einen nahe gelegenen Berg hinauf und stürzte sich von einer Klippe hundert Meter tief in den Abgrund. Er erlitt dabei so schwere Kopfverletzungen, dass er nach vergeblicher Wiederbelebung um 9.30 Uhr für tot erklärt wurde. Auf eigenen Wunsch wird der Leichnam von Roh eingeäschert, die Familie stimmte einem Staatsbegräbnis zu.
Die schrittweise Zerstörung seines persönlichen Ansehens sowie seines politischen Vermächtnisses sind offenbar die stärksten Motive für die Selbsttötung. Der als kompromisslos geltende Roh ist besonders stolz darauf gewesen, ein unabhängiger und unbestechlicher Politiker zu sein. Er hatte es 2002 geschafft, ohne Hilfe der Industrie-Konglomerate und ohne regionale Basis zum Präsidenten gewählt zu werden, indem er über das Internet mit teilweise anti-amerikanischer Rhetorik jüngere Wähler mobilisierte. Doch wie bei jedem südkoreanischen Präsidenten seit Anfang der neunziger Jahre tauchten auch gegen Roh nach dem Ausscheiden aus dem Amt Korruptionsvorwürfe auf. Anfang April entschuldigte sich der Politiker öffentlich dafür, dass seine Frau und seine Nichte von einem Geschäftsmann mehr als vier Millionen Euro angenommen hatten. Ende April wurde Roh dreizehn Stunden lang von der Staatsanwaltschaft verhört. Auf dem Weg nach Seoul verfolgte ihn ein Pressetross in Autos und Hubschraubern - eine solche Demütigung hatte noch kein Ex-Präsident erlebt. Roh hatte die Vorwürfe zurückgewiesen, aber sein sauberes Image gehörte der Vergangenheit an.
Politerbe demontiert
Zugleich musste Roh miterleben, wie sein politisches Erbe immer mehr demontiert wurde. Als Präsident hatte der frühere Menschenrechtsanwalt die Sonnenscheinpolitik seines Vorgängers Kim Dae-jung fortgeführt: Roh unterstützte Nordkorea mit Reis, Dünger und Investitionen, ohne politische Bedingungen zu stellen und Pjöngjang zu kritisieren. Trotz eines Atomtests kamen der nordkoreanische Führer Kim Jong-il und Roh im Oktober 2007 zum zweiten innerkoreanischen Gipfel zusammen und verständigten sich über eine Nachkriegsordnung für die Halbinsel. Doch sein Nachfolger Lee Myung-bak beendete die Versöhnungspolitik und verlangte von Nordkorea Gegenleistungen für Hilfslieferungen.
Pjöngjang begann erneut mit der Atomrüstung und erklärte alle Verträge mit dem Süden für ungültig. Dazu zählte auch die Industriezone am 38. Breitengrad, in der nordkoreanische Arbeiter für südkoreanische Firmen Waren produzieren. Das Projekt galt als die größte Leistung der Amtszeit von Roh.
Der Selbstmord seines Ex-Präsidenten hat Südkorea schwer schockiert. Tausende nahmen in Bongha von dem Sarg Abschied. In Seoul legten Trauernde zahllose Chrysanthemen vor einem Porträt von Roh nieder.
Während seiner Karriere hatte sich der Politiker trotz widrigster Umstände immer wieder behaupten können. Der Sohn armer Bauern hatte sich allein mit Abendkursen zum Anwalt weitergebildet. Als erster Präsident wurde er 2004 wegen angeblicher Wahlmanipulation vom Parlament abgesetzt und konnte trotzdem im Amt bleiben. Aber seine letzte politische Botschaft zeigte, dass ihn sein Lebenswille verlassen hatte. Er symbolisiere nicht mehr länger die Werte, für er einst gestanden habe, schrieb er vor einem Monat auf seiner Webseite. Seine Anhänger sollten ihn aufgeben.