Ermittler beantragen Haftbefehl für De-facto-Chef von Samsung: Umgerechnet 30 Millionen sollen vom Konzern an Unternehmen und Stiftungen der Freundin von Präsidentin Park geflossen sein, gegen die ein Impeachment-Verfahren läuft.
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Seoul. Der südkoreanische Präsidentenskandal hat nun auch das größte Unternehmen des Landes erreicht: Am Montag beantragte die Sonderstaatsanwaltschaft in Seoul einen Haftbefehl gegen Lee Jae Yong, Vizechef und de-facto Firmenvorstand von Samsung.
Der 48-jährige Enkel des Konzerngründers hat Zahlungen von umgerechnet über 30 Millionen Euro an eine enge Vertraute der mittlerweile suspendierten Präsidentin versprochen. Im Gegenzug soll Lee - so die Vermutung der Ermittler - die Genehmigung für die umstrittene Fusion von zwei Samsung-Tochterunternehmen erhalten haben. Dank des Zusammenschlusses konnte er die Kontrolle über das Familienunternehmen ausweiten.
Lackmustest für Elite
In Südkorea sorgte die Nachricht über den drohenden Haftbefehl gegen den Samsung-Erben, der nun am Mittwoch von einem Gericht geprüft wird, für ein beispielloses Medienecho: Lee Jae Yong gilt mit einem Privatvermögen von rund sechs Milliarden US-Dollar als drittreichster Südkoreaner, sein Unternehmen macht fast ein Drittel des heimischen Börsenmarktes aus. Mit Argusaugen schaut die Öffentlichkeit nun auf das Schicksal des Samsung-Thronfolgers. Sein Fall könnte eine Kehrtwende einläuten, wie das Land am Han-Fluss mit seiner wirtschaftlichen Elite umgeht.
Südkoreanische Gerichte sind bislang für ihre Milde gegenüber Firmenvorständen berüchtigt. Die Liste an Begnadigungen von Steuerhinterziehern und Wirtschaftskriminellen ist lang. Oftmals werden die Verurteilten mit der Begründung freigesprochen, für das Wohl der südkoreanischen Wirtschaft unabdingbar zu sein. Diesmal jedoch argumentierten die Ermittler explizit, dass die Rechtsprechung über dem Wohl der Volkswirtschaft stünde. Bereits letzte Woche lud die Sonderstaatsanwaltschaft Lee Jae Yong zu einem 22-stündigen Verhörmarathon vor, was auch als symbolische Geste für eine neue Härte verstanden wird.
In dem wohl schwerwiegendsten innenpolitischen Skandal in der Geschichte der noch jungen Demokratie wurde einmal mehr deutlich, wie eng verflochten die wirtschaftlichen und politischen Eliten des Landes agieren.
Choi Soon Sil, die Jugendfreundin von Präsidentin Park Geun Hye, soll ihre Nähe zur Staatschefin ausgenutzt und mehrere koreanische Großfirmen zu millionenschweren Spenden gedrängt haben. Die Firmenvorstände zahlten in vorauseilendem Gehorsam. Viele gaben später vor Gericht an, mögliche Racheaktionen der Regierung gefürchtet zu haben - etwa in Form von zusätzlichen Steuerprüfungen oder bei der Vergabe von Lizenzen. Die Spenden sollen in dubiose Sportstiftungen geflossen - und mutmaßlich veruntreut worden sein.
Das verbandelte System zwischen Chaebols - wie die familiengeführten Konzerne Südkoreas genannt werden - und der Regierung wurde ausgerechnet von Park Chung Hee etabliert, dem Vater der suspendierten Präsidentin. In den 60er Jahren schloss der Militärdiktator einen Pakt mit einer Handvoll auserlesener Betriebe: Im Gegenzug zu absoluter Loyalität gewährte er ihnen Schutz vor Konkurrenten, schob ihnen lukrative Großprojekte zu und unterdrückte aufstrebende Gewerkschaften.
Es war dies die Geburtsstunde von LG, Hyundai - und Samsung. Lange Jahre waren die Chaebols der Motor für das Wirtschaftswunder vom Han-Fluss. Längst jedoch ist ihre Dominanz zur Last für die viertgrößte Volkswirtschaft Asiens geworden. Im Zuge des jüngsten Präsidentenskandals zogen bis zu 1,8 Millionen Menschen gegen ihr Staatsoberhaupt auf die Straßen Seouls. In einem friedlichen Kerzenmarsch von historischem Ausmaß forderten sie den Rücktritt von Park. Derzeit wird ihre Amtsenthebung von einem Verfassungsgericht geprüft. Vorgezogene Neuwahlen im Frühjahr gelten als wahrscheinlich.
Konkurrenz von links
Die rechte Regierungspartei hat sich unterdessen längst in Loyalisten und Gegner der Präsidentin entzweit. Die einzige Hoffnung des konservativen Lagers für die nächsten Wahlen ist der designierte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der am Freitag in sein Heimatland zurückgekehrt ist. Für politische Beobachter im Land ist es nur mehr eine Frage der Zeit, bis er offiziell seine Kandidatur für das Präsidentenamt verkünden wird. Dem Karrierediplomaten wird als einzigem Politiker zugetraut, die Wählerschicht der politischen Mitte hinter sich zu versammeln. Vor wenigen Monaten noch führte er die Umfragen mit weitem Abstand an.
Seit dem Präsidentenskandal jedoch liegt er gleichauf mit Moon Jae In, dem vielversprechendsten Kandidaten der linksgerichteten Minjoo Partei. Dessen Vorteil ist, dass ihm als Vertreter der Opposition nicht der Mief des Korruptionsskandals anhaftet. Seine Strategie ist es, für einen Neuanfang einzutreten. Sollte er gewählt werden, so versprach Moon Jae In bereits, würde er in einer seiner ersten Amtshandlungen das System der Chaebols von Grund auf reformieren. Er wäre nicht der erste Präsident Südkoreas, der an genau jenem Wahlversprechen scheitern würde.