)
Nach Annahme illegaler Wahlkampfspenden: Lee Wan-koo bietet seinen Rücktritt an.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Seoul. Noch im März hatte Lee Wan-koo voller Tatendrang die Anti-Korruptionskampagne der Regierung verkündet. Nur wenige Wochen später wurde der südkoreanische Ministerpräsident dessen erstes politisches Opfer. Über 25.000 Euro an illegalen Wahlkampfspenden soll Lee angenommen haben. Nach gerade einmal zwei Monaten im Amt bot er am Dienstagabend nun seinen Rücktritt an.
Präsidentin Park Geun-hye schlittert derzeit zielsicher in ihre bisher größte Regierungskrise. Der Kontrast zwischen ihren Wahlversprechungen und tatsächlichem Regierungsstil klafft immer weiter auseinander. Die 63-Jährige trat damals an, den neoliberalen Führungsstil ihres Vorgängers Lee Myung-bak zu korrigieren, erstmals in der Geschichte Südkoreas ein nennenswertes Sozialsystem aufzubauen und gleichzeitig die wachsende Schere zwischen Arm und Reich einzudämmen. Vor allem aber wurde Park Geun-hye von der Bevölkerung gewählt, um die grassierende Korruption zu bekämpfen, die das Land seit Jahrzehnten plagt - doch mit jedem weiteren Finanzskandal repräsentiert die Tochter des langjährigen Militärdiktators Park Chung-hee immer stärker jene korrupte Machtelite, gegen die sie einst antrat.
Seit sich der ehemalige Abgeordnete und Geschäftsmann Sung Wan-jong umgebracht hat, befindet sich die konservative Saenuri-Partei in Aufruhr. In den Morgenstunden des 9. April erhängte sich Sung nahe einem Wanderweg im Norden der Hauptstadt Seoul. Der 64-Jährige wurde zuvor beschuldigt, Firmengelder seines mittlerweile bankrotten Bauunternehmens veruntreut und Regierungsmitglieder unter dem vorigen Präsidenten Lee Myung-bak bestochen zu haben. Als die Polizisten die Kleidung des Toten durchsuchte, fanden die Beamten in Sungs Hosentasche einen Notizzettel, auf dem die Namen von insgesamt acht Spitzenpolitikern vermerkt waren. Neben ihnen stand jeweils eine Geldsumme inklusive Datum aufgelistet. Jeder der implizit beschuldigten Politiker zählt zu Park Geun-hyes engeren Führungszirkel, darunter sowohl ihr ehemaliger als auch amtierender Stabschef.
Park will erst nach ihrer Lateinamerika-Reise nächste Woche darüber entscheiden, ob sie den Rücktritt ihres Ministers annimmt. Ausgerechnet am ersten Jahrestag der Sewol-Katastrophe, bei der über 250 südkoreanische Oberschüler im Gelben Meer ertranken, flog sie ins Ausland. Dieser Mangel an Kommunikation während der für die Bevölkerung traumatischen Sewol-Krise hat nicht zuletzt dazu geführt, dass ihre Umfragewerte bis zum Februar dieses Jahres auf ein Rekordtief sanken. Park weigerte sich nicht nur, die Angehörigen der Opfer persönlich zu treffen, sondern stellte sich ebenso einer unabhängigen Untersuchungskommission über die Hintergründe des Fährunglücks in den Weg. Die Angehörigen misstrauen der konservativen Regierung, ihre Verstrickungen vertuschen zu wollen. Sie machen auch die engen Bindungen zwischen der Politik- und Wirtschaftselite für das Sinken des Fährschiffs verantwortlich.
Dieser Frust entlud sich zuletzt am Samstag bei den massiven Ausschreitungen der Sewol-Demonstrationen im Seouler Stadtzentrum. Als die Protestanten vor die Residenz der Präsidentin ziehen wollten, hinderte sie die Polizei gewaltsam daran. Mit Bussen blockierten sie die Straßenzüge und setzten Pfeffergas und Wasserwerfer ein. Beiden Seiten beanspruchten dutzende Verletzte.
Die Gesellschaft Südkoreas ist politisch gespaltener denn je. Park Geun-hye findet bislang keinen Weg, die aufgerissenen Graben innerhalb der Bevölkerung zu einen - im Gegenteil: Die jüngsten Skandale befeuern alte Ängste vor einer Machtelite, die das Land zwar zu wirtschaftlichen Wohlstand führte, doch totalitär regierte.
Sollte Präsidentin Park nun einen Nachfolger für das in Südkorea weitgehend repräsentative Amt des Ministerpräsidenten finden müssen, wird sie es nicht leicht haben. Der Posten ist in etwa so beliebt wie der Wiener ÖVP-Vorsitz. Lee Wan-koo wäre nun bereits der vierte Ministerpräsident innerhalb der zweijährigen Amtszeit Park Geun-hyes, der zurückgetreten ist. Fast immer ging es um Fehlverhalten und Korruptionsvorwürfe.
Bislang streitet Lee jedoch alle Vorwürfe ab. Sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten, bleibt dennoch zu hoffen, dass der 64-Jährige seine angedrohte Konsequenz nicht wahr werden lässt. Bereits im Vorfeld sagte er vor laufender Kamera im Parlament: "Wenn jemals Beweise gegen mich gefunden werden, werde ich mein Leben aufgeben."