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Der Dauerkonflikt zwischen Georgien und seiner abtrünnigen Republik Südossetien nimmt an Schärfe zu. Am Sonntag lässt der selbsternannte Präsident Südossetiens, Eduard Kokoity, in einem Referendum über die Unabhängigkeit abstimmen. Damit will er vor allem die Regierung von Präsident Michail Saakaschwili in Tiflis provozieren, denn der Ausgang steht ohnehin fest. Es wird ein kräftiges Ja zur Abspaltung geben. Bereits Anfang 1992, inmitten des Unabhängigkeitskrieges, hatten 98 Prozent der geschätzten 70.000 Südosseten die Weg-von-Tiflis-Losung befürwortet. Dabei haben sich viele jener Georgier, die damals für den Verbleib stimmten, mittlerweile ins Mutterland abgesetzt.
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Das Unabhängigkeitsreferendum stellt für Kokoity nur ein politisches Zwischenspiel dar. Das eigentliche Ziel ist ein Anschluss an Russland. Das hat der 42-jährige Ex-Freistilringer kürzlich offen ausgesprochen. Moskaus Führung hat zwar abgewiegelt, um den Westen nicht noch weiter herauszufordern, nachdem schon die von Russland gegen Georgien verhängten Sanktionen für Proteste gesorgt haben, doch früher oder später, sind Beobachter überzeugt, dürfte die Fusion Wirklichkeit werden. Schon heute besitzen so gut wie alle Südosseten russische Pässe. Russland zahlt auch die Gehälter und Pensionen und ist in der Region, die so groß ist wie das Burgenland militärisch - in Form einer "Friedenstruppe" - präsent.
Tiflis sieht den Kreml denn auch als treibende Kraft hinter dem neuen Unabhängigkeitsvorstoß Kokoitys, mit dem Saakaschwili für seinen prowestlichen Kurs samt Nato- und EU-Beitrittsambitionen abgestraft wird. Ein umfassendes Autonomieangebot, das der 2004 an die Macht gewählte Rosenrevolutionär den Südosseten im Vorjahr im Tausch für eine Wiederanbindung der Region in der Größe des Burgenlands an Georgien gemacht hat, wurde zurückgewiesen.
Als nächsten Schritt will Wladimir Putin erreichen, dass Südossetiens Unabhängigkeit international anerkannt wird - und droht indirekt mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat gegen die vom Westen unterstützte Abspaltung des Kosovo von Serbien. Hier hätten die gleichen Maßstäbe zu gelten wie für die nach Unabhängigkeit strebenden georgischen Regionen (neben Südossetien auch Abchasien), meinte der russische Präsident. Die Europäische Union darf das Referendum also durchaus als das verstehen, was es ist: Ein Schuss vor den Bug.