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Südreise mit Gegenwind

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik

Xis politische Aussagen bleiben vorerst widersprüchlich.


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Peking. Es war 1992, als der damals 88-jährige Patriarch Deng Xiaoping seine legendäre "Südreise" antrat, um China nach der Niederschlagung der Studentenproteste am Tian’anmen aus der Schockstarre zu reißen: "Man muss mehr Mut bei der Reform- und Öffnungspolitik an den Tag legen, Mut zum Experiment, nicht wie Frauen mit gebundenen Füßen!" Seine Vorstellungen einer "sozialistischen Marktwirtschaft" haben das Land umgewälzt wie keine andere Revolution zuvor und prägen das Land bis heute.

Es ist also mehr als eine symbolische Handlung, wenn sich der designierte Staatspräsident Xi Jinping ausgerechnet Shenzhen als erstes Ziel einer Inspektionsreise aussucht. Deng beauftragte dessen Vater Xi Zhongxun 1979 mit der Einführung von Sonderzonen für marktwirtschaftliche Experimente, 1980 wurde Shenzhen die erste Sonderwirtschaftszone Chinas. Damals zählte das heutige Stadtgebiet in der Nähe von Hongkong gerade einmal 30.000 Einwohner, heute leben 12 Millionen Menschen in der Metropole mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen Chinas.

"Müssen Politik der offenen Tür fortsetzen"

Xi Jinpings Vorgänger Hu Jintao wählte noch Xibaipo als erstes Reiseziel, das Hauptquartier der Volksbefreiungsarmee in den späten 1940ern. Wenn Hu auf Reisen ging, war dies stets mit großem Aufwand und einem noch größeren Aufgebot an Sicherheitskräften verbunden. Davon versucht sich Xi offensichtlich abzugrenzen: Bei seinem Besuch am Wochenende in Shenzhen sowie Zhuhai und Shunde verzichtete er auf rote Teppiche und üppige Bankette und setzte stattdessen auf Volksnähe.

"Die Entscheidung der Partei, die Politik der offenen Tür und der Reform zu vertiefen, ist korrekt und muss fortgesetzt werden, wobei wir neue Wege gehen müssen", sagte er seiner Entourage. Nach einer Kranzniederlegung vor einem Denkmal Deng Xiaopings mischte sich Xi entspannt unters Volk, schüttelte Hände und plauderte mit den Leuten - so etwas hätte es unter seinen Vorgängern nicht gegeben. Auch in der Rhetorik hebt sich der 59-Jährige ab, indem er auf altbekannte Parteiphrasen weitgehend verzichtet und stattdessen in öffentlichen Ansprachen vom "chinesischen Traum" redet und die "große Erneuerung" der gesamten Nation fordert.

Reise überschattet von Streiks und Protesten

Doch abseits vom öffentlichen Auftreten bleibt vieles nach wie vor beim Alten. In chinesischen Medien wird über die Reise Xis nicht berichtet, offensichtlich weil die Umstände zu heikel sind. Der Besuch des zukünftigen Staatspräsidenten fiel mit einem Streik in einer örtlichen Druckerei zusammen, der sich 3000 Arbeiter anschlossen. Nach acht Stunden wurde die Demonstration von der Polizei gewaltsam aufgelöst, Bilder von prügelnden Sicherheitskräften machten auf Weibo, dem chinesischen Twitter-Ersatz die Runde.

Auch sonst gärte es an diesem Wochenende: In der Autonomen Region Guangxi beteiligten sich 1000 Menschen an Ausschreitungen gegen die Polizei, nachdem Polizisten einen Motorradfahrer brutal behandelt hatten. Währenddessen reißt auch die Serie der Selbstverbrennungen von Tibetern nicht ab: Allein seit Anfang November haben sich 32 Tibeter selbst angezündet - erst am Samstag wieder zwei. Die chinesische Seite beschuldigt wie schon in der Vergangenheit den Dalai Lama, die Aktionen anzustiften.

Es sind widersprüchliche Signale, die der neue Parteichef in den ersten Wochen seit seiner Amtseinführung aussendet. Einerseits versuchte Xi bei einem Treffen mit 20 in China arbeitenden ausländischen Experten, die internationale Besorgnis über den zukünftigen Kurs des Landes zu zerstreuen: "Chinas Entwicklung schließt Egoismus und Nullsummenspiele aus und strebt weder nach Hegemonie noch nach Expansion." Doch erst Ende November erließ China ein Gesetz, das seine Küstenwache ab 1. Januar autorisiert, "ausländische Schiffe zu betreten, zu inspizieren, festzuhalten und auszuweisen". Kurz darauf kam es im Golf von Tonkin zu einem Zwischenfall, bei dem chinesische Fischerboote die Kabel eines vietnamesischen Forschungsschiffs durchtrennten.

Bei der chinesischen Bevölkerung scheint die bodenständige Art des Neuen jedoch gut anzukommen: "Er war sehr charmant, ich hätte mir nicht gedacht, einmal die Hand eines Präsidenten zu schütteln", sagte ein überraschter Tourist aus Shenzhen einer Hongkonger Tageszeitung.