Wiederbelebung eines alten Postulats. | Autonomie statt Selbstbestimmungsrecht? | "Selbstbestimmung für Südtirol!" Diese mit Assistenz Südtiroler Schützen im Wiener Parlament deponierte Forderung löst dreierlei aus: Beim Großteil der heutigen Österreicher Unverständnis; bei Diplomaten die Erinnerung an viele kritische Zeiten; und bei Juristen diffizile Fragen.
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Tatsache ist, dass die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht seit 1918 und ebenso seit 1945 zur Beschlusslage des österreichischen Parlaments gehört. Diese Beschlüsse wurden jedoch seit dem Südtirol-Paket 1969 nie mehr wiederbelebt.
Die Außenminister Waldheim und Moro hatten 1969 eine Autonomielösung für Südtirol vereinbart, die dem Land heute Eigenständigkeit und viel Geld bringt. Diese Eigenständigkeit ist so groß, dass ehrliche italienische Diplomaten meinen, die Integration Südtirols in Italien wäre gescheitert und man solle Südtirol zum österreichisch-italienischen Kondominium machen. Zugleich wurde auch der Reichtum der Südtiroler so groß, dass sie kaum noch Sehnsucht nach einer Rückkehr zu Österreich äußern.
Auf die Forderung nach Selbstbestimmung verzichtet haben aber die Südtiroler nie. Und auch Österreich nicht. Diese Forderung war für Österreich selbst in den Hungertagen nach dem zweiten Weltkrieg erstes außenpolitisches Ziel, sogar wichtiger als der Staatsvertrag. Österreich erkämpfte 1946 durch breiten politischen Einsatz den Pariser Vertrag, der Österreich, zum Unterschied von der ersten Republik, zur rechtlich anerkannten Schutzmacht der Südtiroler machte. Was Wien die völkerrechtliche Legitimation gibt, Italien in Sachen Südtirol anzusprechen.
Dass Italien das Unrecht von 1918 (als die Grenze an den Alpenhauptkamm verschoben wurde, obwohl in Südtirol eine fast rein deutschsprachige Bevölkerung lebte) und aus dem Faschismus (als die Südtiroler sogar ihre Vornamen italianisieren mussten und zur Auswanderung gedrängt wurden) auch nach 1946 fortsetzte (die massenweise Zuwanderung von Süditalienern wurde vom Staat forciert) führte dann in den 50er und 60er Jahren zu einer Bombenwelle. Diese wurde anfangs auch von honorigen Österreichern (Fritz Molden, Bruno Kreisky, Gerd Bacher) unterstützt.
Macht nun das mit Bomben und Diplomatie erkämpfte Paket 1969 die Selbstbestimmungsidee obsolet? Manche meinen, sie sei im Tabernakel der Geschichte entschlafen. Man kann sie aber auch wieder beleben (wie die ebenso obsolete Neutralität).
Diesem Zweck diente nun offenbar der Vorstoß praktisch aller Südtiroler Gemeinden, die ermuntert vom Altsüdtiroler Andreas Khol die österreichische Verfassungsdebatte zum Anlass einer Petition nahmen. Diese bittet, Selbstbestimmung und Schutzmachtrolle erstmals auch in der Verfassung anzusprechen. Dass das Unterschriftensammeln erst in einem italienischen Wahljahr fertig wurde, klingt aber nach einer Planungspanne.