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Sumpfschildkröte à la Donau-Auen

Von Silke Farmer

Wissen
Zum Sonnenbaden kommt die scheue Europäische Sumpfschildkröte an die Oberfläche. Foto: Nationalpark Donau-Auen/Kracher

Gen-Analysen bestätigen Forscher. | Ursprüngliche Population vorrangig. | Wien. Die wenigsten denken bei der Definition "heimische Tierarten" an Schildkröten. Und doch lebt in Österreich auch ein Vertreter dieser Reptilien - die Europäische Sumpfschildkröte ( Emys orbicularis ).


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Lebensräume dieser bis zu 20 Zentimeter großen Schildkröte sind vegetationsreiche Altarme in Fluss-Auen. Während sie früher in Europa weit verbreitet war und bis ins 18. Jahrhundert sogar als Fastenspeise gedient hat, gilt die Europäische Sumpfschildkröte heute aufgrund der Lebensraumzerstörung als vom Aussterben bedroht.

In Österreich bieten die Donau-Auen letzte Rückzugsmöglichkeiten. Aus diesem Grund hat der Nationalpark Donau-Auen im Jahr 1997 ein umfangreiches Schutzprogramm initiiert. "Schutzzonen auszu-weisen und Besucher von den Gelegeplätzen wegzulenken sind wichtige Maßnahmen", sagt Christian Baumgartner, der im Nationalpark für Forschung und Management zuständig ist.

Lange Zeit war nicht gesichert, ob es sich bei der an die 1000 Individuen starken Population tatsächlich um ein ursprüngliches (autochthones) Vorkommen handelt. Oder ob es Nachkommen von Unterarten sind, die aus Terrarien entwichen oder einfach ausgesetzt worden waren.

Ausgesetzte Tiere vor allem in Wien-Nähe

"Das kommt leider sehr häufig vor. Meine Untersuchungen zeigen, dass gerade im Wiener Teil des Nationalparks viele Individuen von ausgesetzten Tieren abstammen", sagt Maria Schindler, die seit 2002 mit dem Emys-Artenschutzprogramm betraut ist. Eine Aufgabe der Biologin ist es, die scheuen Schildkröten zu fangen, ihnen DNA aus der Mundschleimhaut abzunehmen und genetisch ihre Herkunft zu prüfen.

Die EU-Kriterien für vom Aussterben bedrohte Tierarten geben vor, Maßnahmen zur Bestandssicherung zu treffen. Dabei ist es wichtig, das ursprüngliche Vorkommen zu fördern. Schindlers letzte Studienergebnisse belegen zwar die Existenz von ausgesetzten Tieren, das wesentlich interessantere Ergebnis stellt aber die Entdeckung eines bislang unbekannten genetischen Typs dar. Der "Donau-Auen-Typ", wie ihn die Biologin scherzhaft nennt, variiert in einem DNA-Baustein eines Gens von den Tieren der nächstgelegenen Vorkommen in Ungarn. Für Baumgartner eine wertvolle Entdeckung: "Jetzt kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es sich hier um eine für die Donau-Auen ursprüngliche Population handelt."

Vermischung der Unterarten vermeiden

Dass diese sich nicht mit ausgesetzten Tieren vermische, sei jetzt ein wichtiges Naturschutzziel. Denn zwischen den einzelnen Unterarten gibt es auch Unterschiede in der Fortpflanzungsbiologie: "Südliche Tiere sind kleiner und legen bis zu drei Mal im Jahr relativ kleine Gelege ab, während heimische Tiere durch ihre Größe nur ein bis höchstens zwei Mal pro Jahr Gelege produzieren", erläutert Schindler.

Diese Unterschiede seien Anpassungen an das kältere Klima. Während die Tiere in unseren Breiten die warme Jahreszeit mit wenigen, dafür großen Gelegen optimal nutzen, macht es weiter südlich durchaus Sinn, eine große Eizahl auf mehrere kleine Gelege zu verteilen.

Genau hier liegt der Expertin zufolge auch das Problem: Bei einer Vermischung der Unterarten könnten die speziellen Anpassungen der hier autochthonen Unterart verloren gehen - mit vermutlich negativen Folgen für den Fortpflanzungserfolg.