Der Ex-Finanzminister ist bei Tories, die für möglichst geringe Staatsinterventionen plädieren, unpopulär. Unzweifelhaft ist seine Kompetenz.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wäre es nach den konservativen Abgeordneten im Unterhaus gegangen, hätte die gescheiterte Premierministerin Liz Truss erst gar nicht das Amt als Partei- und Regierungschefin angetreten. Die Parlamentarier favorisierten damals Rishi Sunak. Doch die Tory-Mitglieder entschieden sich für Truss.
Nach dem kolossalen Scheitern der 47-Jährigen könnte Sunak erneut an die Spitze streben. Er amtierte von 2020 bis Juli als Finanzminister. Das Amt übernahm der Brexit-Unterstützer der ersten Stunde wenige Tage, bevor der Beginn der Corona-Pandemie die Welt veränderte. Sunak milderte die Sorgen der Bürger, erhöhte aber die Staatsschulden um 400 Milliarden Pfund. Der Finanzminister wollte Ängste vor einer wirtschaftlichen Depression mit allen Mitteln ausräumen. Das machte ihn bei Konservativen verdächtig, die für möglichst geringe Staatsinterventionen plädieren. Erschwerend schraubte Sunak die Steuerlast auf den höchsten Wert seit Jahrzehnten.
Baustellenbesuch mit Prada-Schuhen
Endgültig verscherzte es sich Sunak mit Teilen der im Vergleich zur Bevölkerung überdurchschnittlich alten, englischen, weißen und männlichen Tory-Basis, als er im Juli öffentlich mit Boris Johnson brach und seinen Rücktritt verkündete. Gleichzeitig demissionierte Gesundheitsminister Sajid Javid, womit eine Welle losgetreten war, die Johnson als Premier hinfortspülte. Seitdem gilt Sunak bei vielen als Verräter.
So lief auch die inhaltlich richtige Kritik von Sunak an den Steuersenkungsplänen von Liz Truss ins Leere. Vorgetragen hatte sie der 42-Jährige in einem herablassenden Tonfall, der als machohafte Besserwisserei kommentiert wurde. Eine traditionelle Schwäche Sunaks: Im Wahlkampf gegen Truss tauchte ein Video aus Sunaks Studienzeit auf, in dem der damals 21-Jährige über seinen Freundeskreis sagt, dieser bestehe aus "Aristokraten, Menschen aus der Oberklasse und, naja, aus der Arbeiterklasse" - und dann hinzufügt: "Nein, aus der Arbeiterklasse nicht".
Wenig Gespür demonstrierte er auch, als er beim Besuch einer Baustelle Schuhe der Luxusmarke Prada trug. Zu Vermögen kam der Ex-Banker, der 2015 erstmals ins britische Unterhaus einzog, in der Finanzwelt, bei Goldman Sachs und dem Hedgefonds TCI.
Reichtum ist auch Sunaks Frau Akshata Murty nicht fremd. Sie ist Tochter des indischen Software-Milliardärs Narayana Murty. Steuern auf ihre Gewinne als Infosys-Anteilseignerin zahlt sie erst seit heuer in Großbritannien.
Angriffsfläche bietet Sunak also genug. Er hat aber auch Fürsprecher: Dominic Raab, unter Johnson Vizepremierminister, attestiert Sunak, dieser verfüge über den Plan und die Glaubwürdigkeit, finanzielle Stabilität wiederherzustellen. Und auch, dass er die Konservativen einen könnte. Das erscheint derzeit mit die schwierigste Aufgabe. (reu/da)