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Sündenböcke und Opferlämmer: Wer soll für die gekürzten Zusatzpensionen bezahlen?

Von Barbara Ottawa

Analysen

Der Kapitalmarkt hat im Vorjahr als "dritter Beitragszahler" in kapitalgedeckten Pensionssystemen die Zahlungen verweigert - nicht nur in Österreich, sondern weltweit. Die Besonderheit hierzulande: Durch Systemfehler kam es für einige Pensionsberechtigte zu deutlichen Kürzungen ihrer Ansprüche.


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Wirtschaftsforscher Thomas Url präsentierte nun eine mögliche Lösung: Staat, Betriebe und Pensionskassen sollten für den Schaden zahlen. "Es gibt eine Mitverantwortung im öffentlichen Bereich an diesen Zuständen, nicht zuletzt weil die Finanzmarktaufsicht alle Verträge damals genehmigt hat." Url bezog sich dabei auf Pensionskassenverträge, die in den 1990er Jahren geschlossen wurden. Damals wurde angenommen, dass am Kapitalmarkt auf lange Sicht Renditen von rund 6 Prozent jährlich erwirtschaftet werden könnten. Dementsprechend wurde der Rechnungszins festgelegt, mit dem die Zahlungen an die Pensionskasse berechnet werden, sodass in der Zukunft ausreichend Geld für Pensionszahlungen vorhanden ist. Je höher der Rechnungszins, desto weniger muss das Unternehmen einzahlen. Womit ein paar Firmen ihre Betriebspensionen "billig" ausgelagert hätten.

Der Wifo-Mitarbeiter sieht eine Teilschuld bei den Pensionskassen, die solche Verträge angeboten haben. Von Seiten der Pensionskassen wird die damals bessere Kapitalmarktsituation ins Treffen geführt sowie politischer Druck zur Auslagerung von Betriebspensionen, die sonst die Existenz einiger Unternehmen gefährdet hätten.

Im langfristigen Durchschnitt haben Pensionskassen einen jährlichen Ertrag von 5,74 Prozent erwirtschaftet - nicht zuletzt dank einer deutlich positiven Entwicklung von plus 7,4 Prozent seit Beginn des heurigen Jahres.

Nach den Worten des Wifo wächst die sogenannte zweite Säule des Pensionssystems "viel zu langsam". Die Politiker hielten über Jahre daran fest, dass das staatliche Pensionssystem langfristig für die Altersvorsorge ausreichen würde, und verabsäumten es, Anreizsysteme für betriebliche Vorsorgemodelle zu schaffen.

Laut Wifo-Berechnung wird 2050 die Anfangspension im Vergleich zum Letztgehalt um elf Prozent geringer sein als bei heutigen Neo-Pensionisten. Weitere Reformen könnten schon bald nötig sein, denn der Staat muss immer mehr für das Pensionssystem zuschießen. Der Ausbau ergänzender Firmenpensionen wäre somit ein sinnvoller Weg, damit heute junge Arbeitnehmer in der Pension ihren Lebensstandard annähernd halten könnten. Firmenpensionen bieten als kollektives System zwar weniger individuelle Freiheit, streuen aber die Investitionsrisiken besser.

Wen an den Pensionskürzungen am allerwenigsten Schuld trifft, das sind die Pensionisten selbst. Einigen könnte man allenfalls Unmäßigkeit vorwerfen: Jene mit großen Einbußen, die die Pensionskassen am lautesten kritisieren, sind Rentner, deren Zusatzpension teilweise deutlich über der ASVG-Mindestpension liegt, mit der andere ein Auslangen finden müssen. Darüber hinaus wäre ihre Zusatzpension ohne die Auslagerung an eine Pensionskasse bei einer Insolvenz des Unternehmens in die Konkursmasse gefallen.

Wenn jetzt also Schuldige gesucht werden, die die Kürzungen verschuldet haben und dafür zahlen sollen, so steht eines fest: Das Fahndungsfoto ist keine simple Schwarzweißzeichnung.