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Sunnitische Staatschefs unter Beschuss

Von WZ-Korrespondent Markus Bickel

Politik

In Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien wächst Zustimmung für die Hisbollah | Beirut. In der syrischen Hauptstadt Damaskus waren Fahnen der libanesisch-schiitischen Hisbollah ("Partei Gottes") bislang eine Seltenheit. Zwar war das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad nach dem Mord an Libanons Expremierminister Rafik Hariri im Februar 2005 immer näher an die von Generalsekretär Hassan Nasrallah geführte Partei mit bewaffnetem Flügel herangerückt. Doch auf den Straßen von Damaskus, Aleppo oder Homs waren wie seit dem Tod von Bashars Vater Hafez al-Assad im Juni 2000 nur dessen Porträts, die des amtierenden Präsidenten und dessen 1994 bei einem Autounfall ums Leben gekommenen älteren Bruders Basil, des designierten Nachfolgers zu sehen.


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Drei Wochen nach Beginn des neuen Libanon-Krieges sind das Bildnis Nasrallahs und die gelb-grüne Hisbollah-Fahne mit dem Maschinengewehr in vielen Orten im ganzen Land präsent. Welch ein Wandel: Assad selbst ist Allewit (Religionsgemeinschaft am Rande des Islams), wie viele seiner engsten Vertrauten und große Teile der Militärführung. Die sunnitische Bevölkerungsmehrheit hingegen unterstützt zu großen Teilen die verbotenen sunnitischen Muslimbrüder.

Bashar al-Assad laviert zwischen den Fronten

Bislang ist es Assad gelungen, dem Druck nach deutlicherer Unterstützung der vom gemeinsamen Feind Israel bekämpften Hisbollah-Milizen nicht allzu entscheidend nachzugeben. Der außenpolitisch seit seinem Amtsantritt 2000 weitaus ungeschickter als sein Vater Hafez agierende 40-jährige laviert in der Krise zwischen dem Iran und Ägypten. Sein engster Verbündeter in der Region, der schiitisch dominierte Iran drängt, die Hisbollah stärker zu unterstützen. Die neben Saudi-Arabien größte sunnitischen Regionalmacht, Ägypten hingegen fordert ihn auf, einer internationalen Libanon-Friedenstruppe zuzustimmen.

Ägyptens sunnitischer Präsident Hosni Mubarak ist weitaus größerem Druck ausgesetzt. Zwar sind Nasrallah-Plakate oder Hisbollah-Fahnen nicht so präsent wie in Damaskus, doch die zumindest in Teilen freie Presse erlaubt weitaus größere Kritik an der offiziellen Libanon-Politik als die staatlich gelenkten Medien in Syrien.

Eine Offenheit, wie sie in der vom Königshaus al-Saud gesteuerten Presse des wichtigsten Verbündeten der USA neben Israel in Nahost, Saudi-Arabien, undenkbar wäre. Schon kurz nach Kriegsbeginn vor drei Wochen hatten Offizielle in Riad die Gefangennahme zweier israelischer Soldaten durch Hisbollah-Milizionäre und deren iranische Unterstützer scharf kritisiert, eine Position, die der Botschafter des streng sunnitisch-wahabitischen Regimes in den USA, Prinz Turki al-Faisal, zu Wochenbeginn wiederholte. In Washington sprach er vom "waghalsigen, als Widerstand getarnten Abenteuer" der schiitischen Hisbollah, kritisierte jedoch auch deutliche die israelische Kriegspolitik gegenüber dem Libanon und in den palästinensischen Gebieten.

Scheckbuchdiplomatie der Saudis

Immer noch das beste Argument gegen die starke sunnitisch-islamistische Opposition in dem ölreichen Wüstenstaat liefert dem Königshaus seine großzügige Scheckbuchdiplomatie. Eine Milliarde US-Dollar zur Unterstützung des libanesischen Pfund überwies Saudi-Arabien schon Anfang vergangener Woche auf das Konto der Zentralbank in Beirut ebenso wie 500 Millionen US-Dollar für Soforthilfen.