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Sunnitische Stammesführer bilden Versöhnungskomitee

Von Jason Keyser, AP

Politik

Im "sunnitischen Dreieck" nördlich von Bagdad formiert sich erstmals eine Ablehnungsfront gegen die nahezu täglichen Anschläge von Aufständischen. Elf sunnitische Stammesälteste haben in Tikrit, der Heimatstadt des gestürzten Staatschefs Saddam Hussein, ein Versöhnungskomitee gebildet, teilte Sheikh Sabah Mahmud, der Führer des Sada-Stammes, mit.


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"Es ist Zeit, dass wir unseren Streit überwinden und auf die Zukunft schauen", sagte Mahmud. Die Anwesenheit von US-Truppen müsse als Tatsache akzeptiert werden. Das Versöhnungskomitee bemühe sich um Gespräche mit den Rebellen, damit diese ihren bewaffneten Widerstand einstellen. "Das ist erst ein Anfang", sagte der Stammesführer bei einem Treffen mit sieben Geistlichen und einem US-Offizier im Gebäude der Provinzregierung von Tikrit. Solche Treffen gibt es seit Sommer. Anfangs waren die Sunniten noch nicht zur Zusammenarbeit mit den Amerikanern bereit - statt dessen beklagten sie sich bei diesen Treffen nur über Verhaftungen, Razzien, Ausgehverbote und andere Einschränkungen. Die Bildung eines Versöhnungskomitees markiert eine neue Offenheit von zumindest einigen sunnitischen Persönlichkeiten gegenüber den Amerikanern.

Die Sunniten haben den Irak seit Jahrhunderten regiert. Mit dem Sturz und der Gefangennahme Saddams haben sie ihre politische und gesellschaftliche Vormachtstellung verloren. Da sie nur etwa 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wird die schiitische Mehrheit im Zuge des politischen Prozesses zur Bildung neuer Regierungsstrukturen einen weit größeren Einfluss haben als bisher.

Während sich die unter Saddam Hussein lange Zeit unterdrückten Schiiten auf eine Übernahme der politischen Verantwortung vorbereiten, scheint bei den Sunniten ganz allmählich ein Umdenken einzusetzen. Ein Teil von ihnen sieht ein, dass sie nur dann eine Rolle bei der Gestaltung der künftigen Regierungsstrukturen spielen können, wenn sie mit den Amerikanern zusammenarbeiten.

Oberstleuntant Steve Russel, der Vertreter der US-Streitkräfte bei den Treffen mit den Sunniten in Tikrit begrüßt die Bildung des Versöhnungskomitees. "Das ist eine gute Nachricht", sagt er den Gesprächspartnern. "Inschallah", antworten diese - "so Gott will". Seine Vorgesetzten beim Zentralkommando der Streitkräfte in Bagdad seien überrascht von der Entwicklung, erklärt Russell. "Jeder stellte sich vor, dass Tikrit ein derart schlimmer Ort ist, dass dort nie etwas in dieser Richtung passieren würde", erklärt er den Stammesführern und löst damit Gelächter aus.

Die Sunniten erwarten natürlich auch Gegenleistungen - schon allein, damit sie in der eigenen Bevölkerung nicht ihr Gesicht verlieren. Ganz oben auf der Wunschliste steht die Feilassung von 248 Personen, die unter dem Verdacht stehen, in Anschläge auf Koalitionstruppen verwickelt zu sein. "Jeder weiß, dass wir uns mit den Amerikanern treffen", erklärt Sheikh Mahmud el Nada vom einflussreichen Nassari-Stamm im nahe gelegenen Dorf Uja, wo Saddam Hussein geboren wurde. "Sie fragen uns, was wir erreicht haben und ob wir über die Gefangenen gesprochen haben. Jetzt geht es um unsere Glaubwürdigkeit und um unsere Ehre."

Russell erklärt, er habe nach Informationen von den Stammesführern die Freilassung von drei Häftlingen erreicht. Andere Fälle werde er prüfen. Aber einige müssten weiter in Haft bleiben. Um dies zu unterstreichen, zeigt der Offizier den Scheichs Fotos von Waffen, die im Haus eines Verdächtigen beschlagnahmt wurden.

Der irakische Beauftragte für Militärfragen in der Provinz, Brigadegeneral Abdullah el Dschaburi, sieht den Schlüssel zur Beendigung des Aufstands in einer wirksamen Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards. "Dann werden die Leute einsehen, dass dies keine Besatzungstruppen sind."