"Mehr Macht für die Länder" gilt in und um Wien gemeinhin als gefährliche Drohung. Die Landespolitik hat daran maßgeblichen Anteil.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
An der Theorie kann es jedenfalls nicht liegen, dass in Wien unter Journalisten und Experten fast aller Art der Föderalismus ein, nun ja, sagen wir ausbaufähiges Image hat. Theoretisch zumindest könnte eine sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern - die Betonung liegt auf "sinnvoll" - durchaus zu einer effizienteren, das heißt einer bürgernäheren und billigeren Verwaltung beitragen.
Vor allem im Westen der Republik kann man diesem Gedanken durchaus etwas abgewinnen. Wien ist schließlich weit weg und auf die Idee, dass die hochmögenden Vertreter der Bundeshauptstadt, vulgo auch liebevoll Wasserkopf genannt, besser wissen könnten, was gut ist für die Vorarlberger, Tiroler, Salzburger, Oberösterreicher oder Steirer als die Betroffenen selbst, würde man hier von selbst nicht so schnell kommen. Zumal die Glaubwürdigkeit ausgerechnet der Bundespolitik als Vorreiter für den Aufbau hochgradig effizienter und vor allem schlanker Verwaltungsstrukturen bescheiden ist. Jedenfalls, wenn man die seit Jahrzehnten gelebte Praxis heranzieht.
Beklagenswert ist, dass die Länder - manche mehr, manche weniger - beim Aufbau einer teilweise kafkaesken Bürokratie munter mitgewirkt haben. Und noch die bravsten föderalen Sparmeister müssen sich heute fragen lassen, warum sie nicht den mitunter abstrusen Exzessen einiger Länder Einhalt geboten haben. Mitgegangen mitgehangen, schließlich stellt sich seit dem Kärntner Crash die Frage nach dem Sinn des österreichischen Föderalismus in viel grundsätzlicherem Gewand: Z’wos brauch ma des überhaupt?
Tatsächlich besteht die Tragödie des österreichischen Föderalismus darin, dass er fast jedes der theoretischen Argumente zu seinen Gunsten grausame Lügen durch seine gelebte politische Praxis straft.
Beispiel Innovationskraft. Jedes politische System ist darauf angewiesen, dass es über offene Kanäle verfügt, über die neue Ideen Eingang in die Debatte und Entscheidungsprozesse finden. Föderal organisierte Strukturen könnten dazu eigentlich einen Beitrag leisten: Wenn etwa neun Gliedstaaten mit einem ähnlichen Problem konfrontiert sind und nach Lösungen suchen, ist der Gedanke nicht völlig abwegig, dass sich auf diesem Weg ein "best practice"-Modell herauskristallisiert, das von allen anderen übernommen werden kann. Oder wenn neun Gliedstaaten um den besten Standort-Mix für Bürger wie Unternehmen wetteifern, könnte man vermuten, dass alle Teilnehmer an diesem Wettbewerb auf bestmögliche Dienstleistungen - von Bildung über Kinderbetreuung bis hin zu möglichst kurzen Verwaltungswegen - zu optimalen Preisen achten.
Leider ist von diesen möglichen Vorteilen in Österreich viel zu wenig zu spüren. Und viel zu oft trägt der Föderalismus dazu bei, dass es mehr statt weniger Verwaltung gibt, die noch dazu für den Bürger nicht besser wird. Solange das so ist, haben all diejenigen, die von den Vorteilen eines föderalistischen Systems überzeugt sind, ein Glaubwürdigkeitsproblem. Dieses wird auch dadurch nicht geringer, dass es der Bund nicht besser macht.