Rechtzeitig vor der Angelobung des neuen US-Präsidenten erscheint kommende Woche in den USA eine Comic-Geschichte, in der Barack Obama Seite an Seite mit dem Superhelden Spiderman auftritt. In der Tat würden dem Präsidenten in spe - angesichts der zu lösenden wirtschaftlichen Probleme - ein paar übermenschliche Fähigkeiten momentan durchaus gut zu Gesicht stehen.
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Erste Priorität wäre wohl ein Röntgenblick, der ihm verrät, welche Maßnahmen tatsächlich die Konjunktur wieder in Schwung bringen können. Bis dato gleichen die diversen Rettungs- und Ankurbelungsprogramme der größten Volkswirtschaft der Welt einem milliardenschweren Fleckerlteppich. Pausenlose Strategiewechsel prägen das Bild. Auch Obama scheint hier den Stein der Weisen noch nicht gefunden zu haben. Am Freitag wurde bekannt, dass sein Team eine noch weitere Öffnung des 700-Milliarden-Dollar-Pakets zur Wiederbelebung des Finanzsystems vorbereitet. Diesmal reicht das Spektrum der Begünstigten von Hausbesitzern über Kommunen bis hin zu Kleinunternehmen.
Damit das 800 Milliarden Dollar schwere Konjunkturprogramm, das Obama bis Mitte Februar durch den Kongress peitschen will, nicht ebenfalls dem Gießkannen-Prinzip anheim fällt, müssen sich zum Röntgenblick aber auch Superkräfte gesellen. Obama hat diese Woche "dramatische Schritte" eingefordert, damit die USA nicht über Jahre hinweg in der Rezession stecken bleiben. Dennoch wird sich der zukünftige Präsident die nötige Zustimmung zu seinem Plan aber erkaufen - und jede maßgebliche Klientel entsprechend in den Geldsegen einbeziehen müssen.
Grundsätzlich will Obama 40 Prozent der veranschlagten Mittel für Steuersenkungen verwenden. Familien aus der Mittelschicht könnten jährlich mit 1000 Dollar entlastet werden. Um die Republikaner ins Boot zu holen, dürften auch Steuererleichterungen für Unternehmen vorgesehen sein. 60 Prozent der Mittel sollen hingegen für Infrastrukturausbauten und die Förderungen von alternativen Energieträgern ausgegeben werden.
Sowohl bei den Steuersenkungen als auch bei den Investitionen warnen Beobachter davor, die konjunkturbelebende Wirkung zu überschätzen. Diese dürfte nicht zuletzt von der genauen Ausgestaltung - etwa der Auswahl zu fördernder Projekte - abhängig sein.
Klar ist, dass dieses Maßnahmenpaket das - ohnehin erwartete - Rekord-Budgetdefizit noch weiter in die Höhe treiben wird. Versucht Obama zu einem späteren Zeitpunkt, die explodierende Verschuldung der USA durch Steuererhöhung und Ausgabensenkungen zu reduzieren, wird er neben Röntgenblick und Superkräften wohl auch noch eine kräftige Portion Beharrlichkeit und Leidensfähigkeit in den Kampf werfen müssen.
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