Hubsi Kramar im Gespräch über Politik, sein Stück, das Publikum und den Hitler "in mir selbst".
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Wenn Hubsi Kramer etwas macht, wird es meistens ein Aufreger – etwa sein Auftritt als Hitler beim Opernball im Jahr 2000 ("Hitler bei Opernball verhaftet" lauteten die Schlagzeilen) oder die Inszenierung von "Pension Fritzl", die 2009 dem internationalen Medienzirkus einen Spiegel vorhalten sollte. Nun will er Heinz Christian Strache vorführen. "Wir sind die neuen Juden" behauptete Strache im Jänner beim WKR Ball und verglich die Demonstrationen gegen den umstrittenen Burschenschafterball mit der Reichskristallnacht. "Wir sind die neuen Juden" heißt das Stück, das Hubsi Kramar gemeinsam mit Frederic Lion vom Theater Nestroyhof Hamakom auf die Bühne bringt. Am 21. Mai ist Premiere,
"Wiener Zeitung": Warum machen Sie aus H.C. Straches Aussage "Wir sind die neuen Juden" ein Theaterstück?
Hubsi Kramar: Dass nach dieser kurzen Zweit zwischen Holocaust und heute jemand wie der Strache eine solche Aussage macht und eine solche Täter-Opfer Umkehr betreibt, ist schon entsetzlich genug. Noch entsetzlicher war aber, dass die Politiker kaum darauf reagiert haben. Als Parlamentarier müsste man im Parlament aufstehen und seine Stimme erheben.
Ich als politischer Theatermacher mit bescheidenen Mitteln kann gar nicht anders, als darauf zu reagieren. Manche meinen, das würde nur Öl ins Feuer gießen und der Strache selber sieht sich wieder mal diffamiert. Leute wie er haben eine wahnsinnige Angst davor, dass sie durch den Kakao gezogen werden. Sie ziehen selber jeden in den Dreck, aber Wehe, jemand macht sich über sie lustig.
Wie wird das Theaterstück aussehen? Schlüpfen Sie in die Rolle des Strache, so wie Sie beispielsweise in "Überlebenskünstler" in die Rolle des Hitler schlüpften?
Nein, das wäre völlig uninteressant. Es ist kein Theaterstück im eigentlichen Sinn, sondern eine Art öffentliches sich selber Bloßstellen. Deshalb arbeite ich mit Frederic Lion zusammen: Er ist ein extrem ernsthafter Theatermacher. Ich bin jemand, der immer wieder auch in die Satire geht.
"Überlebenskünstler" war ja eigentlich auch eine Auseinandersetzung der Problematik Hitlers in mir selbst. Wenn man auf andere hinzeigt, soll man sich gleichzeitig der Gefahren bewusst sein, die in einem selber schlummern. Jeder hat ein Aggressionspotenzial und unter bestimmten Umständen kann auch ich zum Täter werden. Nur: Wenn einem das bewusst ist, passiert es nicht so leicht.
Woher kommt ihre Besessenheit mit Nazi-Bösewichten?
Mir ist schon als Kind Hitler wahnsinnig lächerlich vorgekommen. Wie ein Kasperl trat er auf. Aber der Holocaust war eines der unsäglichsten Verbrechen der jüngeren Geschichte. Wie war so etwas möglich? Das war immer die Blaupause für meine ganze Arbeit.
Ich beschäftige mich natürlich auch sehr stark mit Haider, Mölzer, Strache, mit all diesen rechtsextremen Gesinnungsmenschen, die wieder ähnlich rassistisch sind, ähnlich menschenfeindliche Töne anschlagen, ähnliche Hetzreden führen. Beispielsweise jetzt wieder, dieses neue FPÖ-Plakat mit dem Volk und dem Blut. Da erstehen die alten Geister wieder aus den Gräbern auf.
In einem anderen Ihrer Stücke – "Wiener Blut" – ist Strache Bundeskanzler. Eine Horrorvision?
Natürlich! Stellen Sie sich so einen relativ unintelligenten Menschen, der – abgesehen davon, dass er für manche Leute gut ausschaut – so ein minderes Niveau hat, in einem so hohen politisches Amt vor! Österreich ist ein Kulturland mit unglaublichen Leistungen. Und doch werden Nobelpreisträger wie Elfriede Jelinek von diesen Rechten runtergemacht und als überbezahlte "Staatkünstler" beschimpft. Die können sich nicht vorstellen, dass man aus Idealismus etwas tut. Es gibt bestimmte kapitalstarke rechte Kreise in Österreich, der Strache ist deren Marionette. Er bringt ihnen die Wähler, er verbreitet die Ideologie, die sie haben wollen.
Nächstes Jahr sind Nationalratswahlen. Könnten Sie sich vorstellen, in die Politik zu gehen, vielleicht sogar eine Partei zu gründen, ähnlich wie der Komiker Jón Gnarr in Island?
Wenn Hubsi Kramar in Österreich eine Partei günden würde, was glauben Sie, wie mich die Medien durch den Dreck ziehen würden. In Österreich wird jeder, der die politischen Spielchen nicht mitspielt, getötet, wenn er die Nase raushält. Sie sehen ja, wie die Piraten runtergemacht werden als halbdebile Pickel-Partei.
Nun sind aber beispielsweise die Piraten in Deutschland wegen rechter Äußerungen einiger Mitglieder ins Kreuzfeuer der Kritik geraten . . .
Die Piraten sind eine junge inhomogene Gruppierung, eine neue Generation, die in der digitalen Welt zuhause ist. Auf diese Welt wurde noch nicht richtig reagiert – vor allem von den alten Herren in ihren Machtpositionen, die Angst vor dem Messer haben, das ihnen den Arsch vom Sessel schneiden könnte.
Auch die Herausgeber der etablierten Medien gehören dazu und so sind die Piraten ein gefundenes Fressen und Unsinnsäußerungen gewisser Mitglieder werden hochgespielt.
Wenn Hubsi Kramar eine Partei gründen würde, was glauben Sie, wie mich die Medien durch den Dreck ziehen würden. In Österreich wird jeder, der die politischen Spielchen nicht mitspielt, getötet, wenn er die Nase raushält. Sie sehen ja, wie die Piraten runtergemacht werden als halbdebile "Pickel-Partei".
Sie werden auch ohne in die Politik zu gehen regelmäßig von den Boulevardmedien beschimpft, andererseits brauchen Sie aber deren Aufmerksamkeit für Ihre Arbeit. Fühlen Sie sich manchmal schizophren?
Die Boulevardmedien sind ja auch differenziert. Unlängst war ein toller Bericht in der Kronenzeitung über das Absurdenfestival im 3raum-Anatomietheater. Die beschäftigen offensichtlich nicht nur Jeannées, die für den Schwachsinn zuständig sind. Aber die Journalisten dort haben einen Auftrag, einen Herausgeber, der manchmal sagt: Passt’s auf, jetzt tunkt’s ihn a bissl ein.
Das Schwert ist zweischneidig, daher muss auch ich mit den Dingen spielen. Aber ich nehme die Medien ernst und bin froh, wenn meine Arbeit auch Leute erreicht, die normalerweise nicht ins Theater gehen. Deshalb mache ich entgrenztes Theater. Ich will, dass das Theater aus den Kulturseiten in das Feuilleton kommt. Denn das Theaterpublikum ist ein Ghettopublikum, aber als Theatermacher arbeitet man an politischen Themen, die uns alle betreffen. Ich will einen Diskurs.
Wenn mich die Polizei bei meinen verschiedenen Aktionen verhaftet hat, war das immer super, denn dann konnte ich mit den Polizisten reden. Das waren sehr intensive Gespräche über Politik und ein gegenseitiger reger Austausch an Gedanken. Ich habe da richtige Fans gehabt bei der Staatspolizei, denen das einfach gefallen hat was ich mach. Die haben gesagt: Super was Sie machen, aber Sie wissen eh . . .
Und was, wenn plötzlich Strache auf Sie zukäme um zu reden? Wäre es das Ende von Hubsi Kramars Theaterarbeit?
Nein. Das hat schon der Grasser versucht. Der wollte mir im Fernsehen die Hand schütteln, Da habe ich gesagt Mein lieber Herr Grasser, ich kann Ihnen nicht die Hand schütteln, denn da krieg ich einen Ausschlag.
Und er hat wirklich fünf Minuten lang versucht, mir einzureden, dass ich ihm die Hand geben soll. Jemanden zu vereinnahmen war eigentlich immer der Schmäh vom Haider. Das erste was er gemacht hat, war, einem die Hand hinzustrecken und aus Überraschung hat man sie meistens auch geschüttelt.
Aber der Strache hat schon so viel angerichtet, so viele Menschen aufgehetzt, er ist sicher keiner, mit dem ich mich verhabern will. Interessant wär’s natürlich zu reden. Aber dazu ist er nicht in der Lage. Denn er sieht sich kurz vor der Machtergreifung. Er hat ein Image zu verteidigen. Das heißt, er könnte rein strukturell gar nicht zu mir kommen und sagen: Red ma moi.
http://3raum.or.at/
http://www.hamakom.at/