Paris - Der französische Staatspräsident Jacques Chirac macht gute Miene zum bösen Spiel. Kurz vor den abendlichen Hauptnachrichten tobt der Neogaullist in der populären Satiresendung "Guignols" im "Superman"-Kostüm als "Superlügner"-Latexpuppe über den Fernsehschirm.
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Der Gag hat im Wahlkampf einen Nerv getroffen, denn die Glaubwürdigkeit des Präsidenten ist ziemlich ramponiert. "Versprechungen verpflichten nur jene, denen sie gemacht werden", soll der 69-Jährige einmal gesagt haben.
"Superlügner!", schallt es dem Präsidentschaftskandidaten bei vielen Wahlkampfauftritten entgegen. Vor seiner Wahl 1995 versprach er den Franzosen Steuersenkungen, danach wurden die Abgaben erhöht. Und schon wieder zieht der Kandidat mit dem Versprechen von Steuersenkungen in Milliardenhöhe durchs Land. Treuherzig versichert der frühere RPR-Vorsitzende und langjährige Pariser Bürgermeister auch immer wieder, er habe nichts von Schmiergeldern gewusst, die nach Erkenntnissen der Justiz jahrelang in die Kassen seiner Partei flossen.
Die respektlose Puppensendung "Les Guignols de l'Info" (Die Nachrichtenkasper) auf Canal Plus ist vor allem bei Jugendlichen beliebt. Den Ausdruck "Superlügner" prägte der Sozialist Jean Glavany, derzeit Wahlkampfchef von Chiracs Herausforderer Lionel Jospin.
Die Geschichte schlägt im ansonsten recht faden Wahlkampf so hohe Wellen, dass Chirac selbst in einem Fernsehinterview nach seinem Alter Ego aus Latex gefragt wurde. Nein, er habe leider keine Zeit, die Sendung zu sehen, erklärte der Präsident. In einer Umfrage gaben immerhin 33 Prozent der Befragten an, die "Superlügner"-Puppe entspreche ihrem Bild von Chirac.