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Supermacht des 21. Jahrhunderts

Von Walter Hämmerle

Politik

Dem internationalen System stehen offenbar stabile Zeiten bevor: An der militärischen, ökonomischen und kulturellen Hegemonie der Vereinigten Staaten von Amerika werde sich auch in den nächsten 100 Jahren nichts ändern, ist der Wiener Experte für Internationale Sicherheitspolitik Heinz Gärtner überzeugt. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" begründet Gärtner, der erst kürzlich von einem einjährigen Forschungsaufenthalt in den USA zurückkehrte, seine Prognose und legt dar, weshalb dies auch ein Vorteil für die Welt im Allgemeinen und die Demokratie im Besonderen sein könnte.


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Heute ist die USA der "stärkste Hegemon, den es in der Geschichte der modernen Staatenwelt jemals gegeben hat", ist Gärtner, der am Österreichischen Institut für Internationale Politik forscht, überzeugt. Ihre Militär-Ausgaben werden 2003 mit insgesamt 400 Mrd. Euro so hoch sein, wie die aller anderen Staaten zusammen - ein historisch einmaliges Faktum: Während Englands Hegemonie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten die aufstrebenden USA bereits einen gleich großen Anteil am Weltbruttosozialprodukt und die Rüstungsausgaben des zaristischen Russlands lagen sogar schon leicht über jenen Englands. Heute betragen die Militärausgaben Russlands lediglich 10 Mrd. Euro. Selbst wenn Russland wollte und könnte, würde es Jahrzehnte dauern, bis es wieder mit den USA gleichgezogen hätte.

Russland und China: Rivalen, keine Feinde

Schon allein deshalb hält Gärtner eine Renaissance der alten bipolaren Ordnung für ausgeschlossen. Russlands Führung wisse, dass ihr Land nur an der Seite des Westens zu Stabilität und Wohlstand finden kann. Auch China habe sich für die USA durch die Ereignisse des 11. Septembers vom "strategischen Feind zum strategischen Rivalen" gewandelt.

Was Europas Verhältnis zu den USA betrifft, so hält Gärtner die Wandlung vom Partner zum Rivalen für kaum wahrscheinlich: Europa werde letztlich stets Amerika die Entscheidung überlassen und sich an seine Seite stellen. Die EU werde in den kommenden 10, 15 Jahren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt sein, als dass sei eine globale Rolle einnehmen könnte.

Trotzdem prognostiziert Gärtner für die Zukunft ein bipolares Konfliktmuster, in dem allerdings nicht zwei Staaten, sondern zwei Werthaltungen einander gegenüber stehen: Auf der einen Seite die USA mit ihren Verbündeten, auf der anderen Seite der internationale Terrorismus. Dieser Konflikt, bewusst als "Krieg gegen den Terrorismus" kommuniziert, werde noch sehr lange das Denken und Handeln der USA prägen.

Afghanistan beendete Vietnam-Trauma der USA

Früher hätten Einzelereignisse wie der 11. September den beginnenden Niedergang einer Großmacht angezeigt. Von den bereits in den 80er Jahren diskutierten Thesen vom Abstieg der USA und dem Aufstieg Japans und Chinas ist heute jedoch schon längst nichts mehr zu hören. Tatsächlich hat es für Gärtner den Anschein, als hätte das überraschend schnelle Ausschalten des Taliban-Regimes in Afghanistan das Vietnam-Trauma der USA beendet. Nun drohe eher die Gefahr einer "Vor-Vietnam-Stimmung" in den USA, als die Risiken von internationalen Militäraktionen deutlich unterschätzt wurden.

Dem angesichts der US-Machtfülle immer wieder aufkommenden Anti-Amerikanismus kann Gärtner nichts abgewinnen. Er ist davon überzeugt, dass es den "Demokratien in der Welt mit dem Hegemon USA sehr viel besser" gehe, als dies etwa in einer Situation der Fall wäre, in der mehrere Großmächte sich gegenseitig in Schach zu halten und zu kontrollieren versuchten. An dieser Einschätzung könnten auch die durchaus bestehenden Meinungsunterschiede zwischen den USA und ihren Verbündeten in grundsätzlichen Fragen wie der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls, der Ächtung von Landminen oder die Aufkündigung des ABM-Vertrags nichts ändern, so Gärtner.