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Sushi gefährdet Mittelmeer

Von WZ-Korrespondent Roderick Agius

Europaarchiv

Preise sind massiv gestiegen. | Weniger Thunfisch heißt mehr Kalmare. | Daher sind auch Sardinen gefährdet. | Malta. Eben noch hießen sie "Cevahir" und "Abdi Baba I". Die beiden Fischerboote im Hafen von La Valetta trugen türkische Namen, eine bolivianische Flagge und waren für den Fang von Thunfischen ausgerüstet. Über Nacht wechselten sie die Namen zu "Manara I" und "Manara II" und tauschten die bolivianische in eine libysche Flagge um. Anfang Mai waren sie verschwunden. Bei Greenpeace und WWF läuteten die Alarmglocke: Bolivien ist nicht Mitglied der internationalen Kommission zum Schutz des Atlantischen Thunfisches und darf daher keine Thunfänger entsenden. Die Thunfischfänger waren also illegal unterwegs. Mehr noch: Die EU-Kommission hatte die Fangsaison bereits vorzeitig beendet, um den Thunfischbeständen eine Erholung zu gewähren.


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EU-Kommissar untätig

Greenpeace und WWF wiesen Brüssel bereits Ende April auf die beiden Raubfischer im Hafen der maltesischen Hauptstadt hin. Doch der für Fischerei zuständige EU-Kommissar Joe Borg unternahm nichts. "Wie können die EU-Behörden angesichts der beiden Raubfischer beide Augen zudrücken?", fragt empört Sergi Tudela, beim WWF für die Fischerei im Mittelmeer zuständig. Borg steht nicht das erste Mal in der Kritik. Die Umweltschutzorganisationen werfen ihm vor, nicht genug gegen das Aussterben der Thunfische im Mittelmeer zu tun. Die Jagd auf die bedrohten Blauflossen-thunfische hätte in diesem Jahr gar nicht erst erlaubt werden sollen, sagt Tudela. "Die bereits katastrophale legale Fischerei wird noch um ein Vielfaches verschlimmert durch die fortgesetzte illegale Fischerei." Greenpeace und WWF haben sich deshalb offiziell an die internationale Thunfischkommission gewandt.

Ein Fang 15 Millionen

Der derzeitige Aufschwung der Jagd auf die Blauflossenthunfische geht vor allem auf die steigende Nachfrage aus Japan zurück. Das rosa Fleisch vor allem der Mittelmeervariante des atlantischen Blauflossenthunfisches macht sich besonders gut in Sushi. Ein einziger Fang kann deshalb schnell einmal 15 Millionen Euro lösen - ein netter Anreiz für die Jagd.

Bei so lukrativen Geschäften drücken die Behörden rund um das Mittelmeer gerne ein Auge zu. Laut einem Bericht des Madrider Beratungsbüros "Advanced Tuna Ranching Technologies" (ATRT) haben u.a. Italien, Frankreich und Spanien ihre international festgelegten Fangquoten überschritten. Allein das kleine Malta soll 2006 seine Quoten mit 1700 Tonnen überschritten haben. Die Inselrepublik, seit 2004 EU-Mitglied, ist der globale Marktführer bei der Einhegung von Thunfischen in großen Käfigen. Fischtrawler bringen die Fische aus dem ganzen Mittelmeer hierher. Im vergangenen Jahr wurden in diesen Käfigen 6400 Tonnen Thunfisch "geerntet". Im Jahr zuvor waren es erst 4800 Tonnen gewesen. Weltweit werden laut der Welternährungsorganisation FAO 4,6 Millionen Tonnen gefangen.

Große Auswirkungen

Die Überfischung macht sich längst in den Beständen bemerkbar. Laut dem Beratungsbüro ATRT waren 40 Prozent der 2006 gefangenen Fische leichter als 60 kg, 70 Prozent leichter als 80 kg. Ein ausgewachsener Blauflossenthunfisch kann bis zu 600 Kilogramm werden. Der Wegfall des wichtigsten Raubfisches des Mittelmeeres würde große Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht haben. An die Stelle der Thunfische dürften Kalmare treten. Das würde wiederum auch für die Sardinen - die nächsten in der Nahrungskette - Folgen haben.