Vor dem persischen Neujahr herrscht in der Bäckerei Fadak Hochbetrieb.
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Wien. "Habt ihr nicht mehr davon?", will Omid wissen und hebt Maryam Panahi eine Schachtel Trocken-Früchte entgegen. "Nein", entgegnet Panahi freundlich. "Dann komme ich später wieder", sagt Omid enttäuscht. Der 32-Jährige ist heute quer durch die Stadt eine halbe Stunde am Stück mit der U-Bahn zur Bäckerei "Fadak" nach Brigittenau gefahren.
"Hier gibt es vieles, was ich aus dem Iran kenne", sagt er und zeigt auf das Sortiment. Neben bekannten persischen Lebensmitteln wie Marmeladen, Essiggurken, Rosenwasser, Kompott, Marinaden und Gewürzen kann man hier auch frisches iranisches Bio-Vollkorn-Fladenbrot "Barbari" und verschiedene selbst gebackene Süßigkeiten kaufen. "Wir wollten mit der Bäckerei iranische Süßigkeiten bekannter machen", sagt Maryam Panahi, die Inhaberin der Bäckerei in der Othmargasse 36. Im Vergleich zu türkischen oder arabischen Spezialitäten sind iranische Süßigkeiten nur den wenigsten Kunden hierzulande ein Begriff. "Das iranische Baklava schmeckt beispielsweise ganz anders als das türkische oder arabische", meint Panahi. Die größte Nachfrage besteht allerdings für die "Nan-Khameei", den täglich frisch gebackenen Brandteigkrapfen mit Cremefüllung, der sich im Iran und unter Iranern im Ausland großer Beliebtheit erfreuen. "Wir haben lange probiert, um eine Creme zu kreieren, die den originalen Geschmack aus dem Iran trägt", sagt die 62-jährige Geschäftsfrau.
Von ihren männlichen Mitarbeitern wird Panahi ab und an auch höflich "Khanoom Doktor" genannt. Frau Doktor heißt das auf Persisch. Panahi hat Erziehungswissenschaften studiert. Seit knapp acht Monaten ist sie nun Bäckerin. Der Name ihrer Bäckerei "Fadak" stammt aus der islamischen Geschichte. Er steht für eine blühende Oase, die nördlich der für Muslime heiligen Stadt Medina liegt.
An Kunden mangelt es der Bäckerei nicht: Viele kommen aus den entferntesten Ecken Wiens, manche gar aus Niederösterreich oder von noch weiter weg. Die Bäckerei hat bereits viele Stammkunden: Österreicher, Iraner, Afghanen, Araber und Türken - eindeutig festlegen kann sich Maryam Panahi in der Beschreibung ihrer Kundschaft nicht.
Eine afghanische Familie ist aus Favoriten hierher in den 20. Bezirk gepilgert. "Wir kommen jede Woche wegen dem Fladenbrot", sagt der Vater. Dann geht es zur Bestellung: "Vier Barbari, zwei davon Roggen und zwei Vollkorn", sagt er und drückt an die Glasscheibe der Brottheke. "Barbari" ist das traditionelle iranische Brot, es ist länglich, trägt Rillen und schmeckt sehr knusprig.
Handarbeit aus der Konditoren-Dynastie
Wirft man einen Blick auf die Angebotsliste von "Fadak", dann liest man neben "Sohan-e-Qom", einem mit Pistazien und Safran verfeinerten Bonbon, "Lavashak", einem Fruchtriegel der aus gepresstem Fruchtgelee besteht, auch "Barbari" und weitere iranische Varianten von Süßigkeiten. Der Bäcker und Konditor, der für die Zubereitung dieser Spezialitäten zuständig ist, wird "Herr Hosseini" genannt. Er stammt aus einer alten Konditoren-Familie und ist selbst seit 19 Jahren im Konditoren-Geschäft tätig. "Mein Onkel, mein Vater, einige meiner Cousins und auch weitere entfernte Verwandte sind schon Konditoren gewesen", erzählt der 35-Jährige. Seine Verwandten hat es nach Kanada, England und bis nach Malaysia verschlagen, er selbst hat sich für Wien entschieden.
Die Konditoren-Arbeit ist alles andere als leicht, wie er betont: "Man muss viel probieren und experimentieren." Die meisten Zutaten, die er zum Backen benötigt, muss er sich aus dem Iran besorgen, findet er die benötigten Produkte einmal nicht, muss er auf gleichwertige österreichische Alternativen zurückgreifen, wie er sagt. Deshalb verbringt er viel Zeit mit dem Durchprobieren und Aussortieren von neuen Geschmacksrichtungen. Am Ende zählt für ihn der "Geschmack aus dem Iran."
Den sollen die Kunden auch erkennen, ihn eindeutig zuordnen können: "Mir ist es wichtig, hier in Österreich zu zeigen, dass es im Iran auch leckere und gute Süßigkeiten gibt." Eine Spezialität, auf die Hosseini besonders stolz ist, sind die traditionellen "Zoolbia Baamieh". Das sind verschiedene in Öl frittierte Zuckerspeisen, die am Ende noch mit Glasur überzogen werden. Die Zuckermasse dazu bereitet er selbst vor - an einem Tag kommen viele Aufträge auf ihn zu.
Auch die Brote werden einzeln gefertigt: "Deshalb können wir nicht mehr als 30 Brote am Tag machen." "Herr Hosseini ist ein Segen", wirft Panahi ein, bevor sie den nächsten Kunden bedient, seine Kunstwerke kommen den Köstlichkeiten aus der Heimat sehr nahe. Und: "Viele Iraner, die schon lange nicht mehr in den Iran reisen, fühlen sich hier wieder an die Süßigkeiten ihrer Jugend erinnert", fügt sie hinzu.
Großkampftag vor dem persischen Neujahr
Neben den begehrten "Nan-Khameei" und dem "Barbari" verkauft sich das iranische "Rolette", ein mit reichlich Creme befüllter rouletteförmiger Kuchen, besonders gut, erzählt Panahi. Wer etwas kaufen will, sollte aber öfters vorbeikommen, denn gerade die frischen Produkte sind tages- und zeitenabhängig verfügbar. Auch ihre Menge ist begrenzt: "Wir bieten bewusst kleine Mengen an, die von Hand gefertigt werden. Bei uns gibt es keine Massenproduktion", sagt Panahi.
Diese Woche steht viel Handarbeit an für sie, aber insbesondere für Herrn Hosseini. Am 20. März ist Frühlingsanfang. Es ist das persische Neujahr. Tausende hungrige Auslandsiraner werden dann in die Brigittenau pilgern, um ihre Vorräte aufzustocken - damit sie ihren Freunden und Verwandten in den nächsten Wochen ein Stück Heimat kredenzen können.