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SVA gegen Ärztekammer - das ist Brutalität

Von Ernest G. Pichlbauer

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Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) gegen die Ärztekammer (ÄK): Ein Kampf zwischen den Vertretern von Unternehmern und denen eines freien Berufsstandes.


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Ein vertragsloser Zustand zwischen Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und Ärztekammer (ÄK) "droht". Kommt der, dann müssen die Versicherten, alles selbständige Menschen, mit ihrer Krankenkasse selbst abrechnen, weil der Arzt das dann nicht mehr tut. Ungeregelt wird dann auch der Preis sein, den der frühere Kassen- und nunmehrige Wahlarzt für seine Leistungen verlangt. Ob dieser in der Nähe des bisher geltenden Tarifs oder gleich um ein paar hundert Prozent darüber sein wird, darf er frei entscheiden; allerdings steht er im Konkurrenzkampf mit den bisherigen Wahlärzten, die diese Freiheit bereits heute genießen. Alles in allem eine irgendwie normale Situation für Selbständige und freie Berufe.

Und trotzdem ist die öffentliche Diskussion heftig. Beginnen wir bei der SVA. Dort wird behauptet, dass Ärzte sich an überhöhten Tarifen bereichern. Belegt wird das mit direkten Vergleichen einzelner Positionen aus den unterschiedlichsten Honorarkatalogen der verschiedenen Krankenkassen. Tja, das ist unlauter. Denn die Verhandler wissen wohl, dass die 14 Honorarkataloge, die seit 60 Jahren zur Verteilung der, mit den zehn Ärztekammern ausgehandelten, Honorarsummen herangezogen werden, alles andere als logisch sind. Keine Position ist definiert oder kalkuliert, und so darf es nicht verwundern, wenn nicht mehr klar ist, was die einzelnen Positionen eigentlich bedeuten und vor allem, welche Quersubventionierungen zwischen ihnen "mitverhandelt" wurden. Und wenn ein EKG dort 35,30 Euro und da 21,78 Euro kostet, dann sagt das gar nichts darüber aus, welche Leistung wirklich bezahlt wird.

Polemik ist auch der ÄK nicht unbekannt. Besonders perfide ist es, wenn sie der SVA vorwirft, sie wolle die Zwei-Klassen-Medizin, da nur Reiche sich Wahlarzthonorare leisten können. Da frage ich mich schon, warum Ärzte, wenn sie keinen Kassen-Vertrag mehr haben, ihre Honorare astronomisch erhöhen müssen. Wer oder was zwingt sie denn, dermaßen viel mehr als heute zu verlangen, damit sie sich nur mehr Reiche leisten können?

Aber in Wirklichkeit geht es ja um etwas anderes. Wenn 410.000 Versicherte erkennen, dass ein Wahlarztsystem patientenfreundlicher als das heutige Pflichtsystem ist, dann könnte das Vorbildwirkung haben. Mehr noch, es könnte sogar passieren, dass niedergelassene Ärzte mit dem "neuen" System zufriedener werden, weil sie echte Preise statt irgendwelcher, oft schändlich niedriger, Tarife erhalten, und so Klasse statt Masse bieten könnten. Sie könnten ganz ohne Tricks und Mengenausweitungen auf ihr Geld kommen und dabei sogar wieder richtig Medizin betreiben. Es könnte also passieren, dass eine nicht unerhebliche Menge von Ärzten und Patienten das österreichische Kassensystem im direkten Vergleich als mangelhaft erkennt. Und das wäre fatal.

Denn die Patienten würden sich dann fragen, wofür man denn die vielen und behäbigen Krankenkassen braucht. Und die Ärzte würden sich fragen, ob ihre riesigen Kammer-Apparate nötig sind. Viele unangenehme Fragen würden gestellt, an Funktionäre, die im jetzigen Pflichtsystem ganz komfortabel leben und deren Macht auf dem Spiel steht. Und wenn die Gruppe derer, die fragen, groß genug ist, ja dann könnte das ihr Ende sein. Und genau darum geht es wohl bei der Diskussion; wobei es so aussieht, als habe die ÄK mehr Angst vor Veränderungen als die SVA, deren unternehmerische Grundhaltung doch noch nicht ganz verschütt gegangen sein dürfte.

Dr. Ernest G. Pichlbauer ist

unabhängiger Gesundheits ökonom und Publizist.