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Aktionskomitee fordert Ende des 20-prozentigen Selbstbehaltes der SVA.
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Wien. Das Aktionskomitee zur Abschaffung des 20-prozentigen Selbstbehaltes ging am Montag mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) hart ins Gericht: "Die SVA ist für 50 Prozent aller Konkurse verantwortlich", erklärte etwa der Vorsitzende der Grünen Wirtschaft Wien, Hans Arsenovic. Jeder fünfte Versicherte werde von der SVA wegen ausstehender Beiträge gemahnt, jeder zehnte exekutiert, kritisierte er weiter.
Der Gründer des Aktionskomitees und Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Wien, Fritz Strobl, bezeichnete den Selbstbehalt wiederum als "soziale Ungerechtigkeit" und eine "Strafe fürs Kranksein": "Den Selbstbehalt als Lenkungsmaßnahme zu bezeichnen und sich dann noch über die Statistiken über den Rückgang der Arztbesuche zu freuen, halte ich für zynisch", so Strobl.
Laut dem Wiener Ärztekammer-Präsidenten Thomas Szekeres, ebenfalls Mitglied des Aktionskomitees, würden die meisten Menschen ohnehin schon viel zu spät zum Arzt gehen. Der Selbstbehalt würde das noch zusätzlich unterstützen. Vor allem für chronisch Kranke könne der Selbstbehalt zu einer echten Belastung werden, betonte Szekeres. Laut Arsenovic würden Angestellte durchschnittlich fünfmal pro Jahr in den Krankenstand gehen, Selbständige nur dreimal - "aber nicht, weil sie gesünder sind."
In diesem Zusammenhang wies Strobl darauf hin, dass es allein in Wien rund 100.000 aktive Kammermitglieder gebe, wovon 60.000 Ein-Personen-Unternehmen seien. Viele dieser Menschen könnten sich den Selbstbehalt beim Arztbesuch nicht leisten und würden deshalb oft trotz Krankheit keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, so Strobl. Dass das der Volkswirtschaft am Ende wesentlich teurer komme als ein niederschwelliger, präventiver Zugang zur Medizin, liege laut Szekeres auf der Hand.
Dass sich in der Urbefragung der SVA 83 Prozent für die Beibehaltung des Selbstbehaltes ausgesprochen hatte, ist für das Komitee nicht verwunderlich: "Wenn man die Befragten zwischen höheren Mindestbeiträgen oder der Beibehaltung der Selbstbehalte wählen lässt, dann ist das eine Wahl zwischen Pest und Cholera und ein Hohn sondergleichen", meinte dazu Margit Gugitscher, Ein-Personen-Unternehmerin und Vertreterin der Facebook-Gruppe Amici delle SVA.
10.000 Unterschriften
Eine Abschaffung des Selbstbehaltes könnte nach Ansicht der Aktionsgemeinschaft über eine Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage finanziert werden, womit gut verdienende Selbständige mehr an Beiträgen zahlen müssten. Gleichzeitig fordert das Komitee eine Abschaffung der Mindestbeiträge.
Um hier vor allem von der SVA und dem ÖVP-Wirtschaftsbund gehört zu werden, sollen nun mit Straßenaktionen, Betriebsbesuchen und anderen Veranstaltungen in Wien mindestens 10.000 Unterschriften gesammelt werden, erklärte Strobl, der auf Nachahmer in den Bundesländern hofft.
Bei der SVA selbst hat man die Forderungen am Montag mit Kopfschütteln zur Kenntnis genommen. "Ich bin etwas verwundert darüber, dass sich die Wiener Ärztekammer in eine Pressekonferenz der Sozialdemokraten und Grünen einspannen lässt", erklärte der stellvertretende Obmann der SVA, Peter McDonald der "Wiener Zeitung" (siehe Interview unten, Anm.).
"Unwahrheiten"
Angesprochen auf die Aussage, wonach die SVA für 50 Prozent der Konkurse verantwortlich seien, meinte McDonald: "Das brauche ich nicht zu kommentieren. Da werden Unwahrheiten aus parteipolitischen Gründen verbreitet." Auch von der Forderung nach Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage hält der stellvertretende Obmann nichts: Beim derzeitigen System werde davon ausgegangen, dass jeder das gleiche Versicherungsrisiko zu tragen habe - im Gegensatz zu den Privatversicherungen.
Jeder Versicherte bezahlt also eine bestimmte Prämie und bekommt dafür die gleiche Leistung. Allerdings würden Besserverdiener eben mehr bezahlen als schlechter Verdienende. Und hier müsse man sich laut McDonald eben abgrenzen. "Denn heute ist es so, dass jemand mit mehr Verdienst schon bis zu elf Mal so viel bezahlt wie jemand mit einem geringeren Einkommen." Das sei der Konsens im gesamtösterreichischen Sozialversicherungssystem - und kein Spezifikum der SVA, so McDonald.