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Werner Faymann ist nicht allein verantwortlich für die Misere seiner Partei. Sein Abgang hat aber erst die Möglichkeit eröffnet, sich den zahlreichen Problemen endlich zu stellen. Es gibt nichts zu beschönigen: Die Partei hat massiv an Glaubwürdigkeit verloren; Sie ist inhaltlich so ausgedünnt, dass selbst Spitzenfunktionären oft nicht klar zu sein scheint, wofür sie steht; die Struktur zerbröselt, alle fünf Jahre verliert die Partei ein Viertel ihrer Mitglieder; nicht erst die Präsidentschaftswahl hat gezeigt, dass der Apparat der SPÖ im Grunde nicht mehr kampagnenfähig ist - die Liste ließe sich noch erheblich fortsetzen.
Zwei Punkte fehlen aber ganz bewusst: die FPÖ und die "Flüchtlingsfrage". Der Erfolg der FPÖ ist nicht das Problem der SPÖ - er ist ein Resultat der sozialdemokratischen Krise. Das Gleiche gilt für die Flüchtlingsthematik. Deren Brisanz ist Ausdruck tiefsitzender Ängste um die eigene Zukunft. Welche Antworten hat die Sozialdemokratie aber gegeben auf seit bald zwanzig Jahren sinkende Arbeiterreallöhne? Was hat sie getan, um die Explosion der Wohnkosten in den Griff zu bekommen? Kurz: Was hat sie erreicht, um der verbreiteten Verbitterung über die stetig wachsende soziale Ungleichheit entgegenzuwirken?
Alles das nutzt die FPÖ und wird es weiterhin nutzen, um Menschen gegeneinander auszuspielen. Noch schlimmer als das Auslaufen nach rechts - man kann es nicht oft genug sagen - ist die Passivierung der roten Basis: Ein Fünftel der Wahlberechtigten hat sich aus dem politischen Prozess dauerhaft verabschiedet. Die Zukunft der SPÖ ist denn auch nicht das Schielen zur FPÖ, wie sich von Simmering bis Eisenstadt ersehen lässt, wo die SPÖ rechter ist als irgendwo sonst und die Freiheitlichen einen Triumph nach dem anderen einfahren. Die Sozialdemokratie wird Menschen gewinnen können, wenn sie glaubwürdig deren Interessen vertritt: die Interessen arbeitender Menschen, die sich immer schwerer tun, über die Runden zu kommen, die sich Sorgen um die Bildung ihrer Kinder machen oder um ein würdiges Leben im Alter fürchten.
Drei wichtige Fragen gilt es endlich zu beantworten
Die Hypothek der Ära Faymann besteht darin, stets behauptet zu haben, den 90 Prozent helfen zu wollen, die es sich aus eigener Kraft nicht richten können - und es doch nie getan zu haben. Drei Fragen sind es, die nun endlich beantwortet werden müssen, wenn die Partei politisch nicht über die Planken gehen soll:
1.) Wen vertritt die SPÖ?
2.) Wie lässt sich Glaubwürdigkeit wieder zurückgewinnen?
3.) Wie können die darniederliegenden Parteistrukturen wiederbelebt werden?
Die Wortführer der Parteirechten wie der Linzer Bürgermeister Klaus Luger plädieren im Wesentlichen dafür, dem Hartz-IV-Kurs nachzueifern, mit dem sich die SPD für Jahrzehnte ins politische Aus befördert hat. Realistischer ist es, den steinigeren Weg zu gehen: den zur sozialen Interessenvertretung für diejenigen, die weder in der Wirtschaftskammer noch in der Industriellenvertretung beheimatet sind. Unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft oder ihrem Alter. Ihre Basis wird die Partei nur wiederbeleben können, wenn sie ihre Strukturen demokratisiert.
Alle drei Erfordernisse - die politische Neuausrichtung, die Demokratisierung und schließlich die Auswahl von geeignetem Personal - werden Mut erfordern. Aber wenn es eine Perspektive gibt, dann ist es diese.