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Auch über ein Jahr, nachdem die Türkei offiziell zum Beitrittskandidaten der EU gekürt worden ist, hat sich an der prekären Menschenrechtslage in dem Land am Bosporus nichts geändert. Zuletzt sorgte die brutale Erstürmung von 20 Hochsicherheitsgefängnissen im Dezember für Schlagzeilen. Die Sicherheitskräfte haben damit die Verlegung der politischen Gefangenen in die gefürchteten Minizellen, so genannte F-Typ-Anstalten, erzwungen. 1.000 von ihnen wurden mittlerweile überführt. In den kommenden Monaten soll eine EU-Parlamentarierdelegation die neuen Gefängnisse besichtigen und jüngsten Foltervorwürfen nachgehen.
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"Momentan ist man auf Terminsuche", erklärt SPÖ-EU-Abgeordneter Hannes Swoboda in seiner Funktion als Sonderberichterstatter des EU-Parlaments für die "Beitrittspartnerschaft" mit der Türkei im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Eine offizelle Einladung der Türkei liegt bereits vor.
Der SPÖ-Delegationsleiter im Europa-Parlament hält eine Vermittlung der EU in dem Gefängniskonflikt für wichtig. Nach wie vor befinden sich mehrere Gefangene im Hungerstreik, um gegen ihre Verlegung in die neuen Ein- bis Drei-Mann-Zellen zu protestieren. Sie klagen, dass sie in Einzelhaft Folter und Willkür des Gefängnispersonals noch stärker ausgesetzt sind als in den bisher üblichen Massenzellen. Zudem fordern die politischen Gefangenen regelmäßigen Hofausgang, Sozialeinrichtungen, gemeinsame Sportaktivitäten sowie den Zugang zu Büchern, Zeitungen sowie TV- und Radio-Nachrichten.
Bisher verweigert ihnen das die Regierung in Ankara. Bei seinem jüngsten Türkei-Besuch Ende Jänner habe ihm Justizminister Türk die Bereitschaft signalisiert, die Restriktionen zu lockern, berichtet Swoboda. Bedingung für Verhandlungen sei aber die Beendigung des Hungerstreiks der Häftlinge.
Die Problematik in der Türkei sind nicht nur die Restriktionen in Hochsicherheitsgefängnissen alleine; diese gibt es auch in anderen Ländern, um etwa terroristische Aktionen zu unterbinden. Nur: In der Türkei seien ja auch Menschen nach dem Anti-Terrorismusgesetz verurteilt, die Wände mit pro-kurdischen Slogans beschmieren, gibt Swoboda zu bedenken. Wichtig sei es vielmehr, "die Gesetze zu ändern, und nicht jeden Tag neue politische Gefangene zu schaffen".
Zu konkreten Foltervorwürfen bei der Überstellung der Gefangenen in die neuen F-Typ-Gefängnisse kann Swoboda keine Angaben machen. Auf die Frage nach medizinischen Informationen habe ihm der Justizminister lakonisch geantwortet: "Die liegen alle beim Akt."
Nach unbestätigten Meldungen sind seit der Erstürmung der Gefängnisse einige Häftlinge spurlos verschwunden. Viele müssen trotz schwerer Verbrennungen und Rippenbrüchen zu den Zählappellen erscheinen, berichten Angehörige. Körperliche Schwächen werden mit Schikanen beantwortet. Medizinische Behandlung wird verweigert. Auf Ärzte wird enormer Druck ausgeübt, um medizinische Gutachten zu fälschen oder abzumildern. Die Zustände in den Gefängnissen bestätigen grundsätzlich auch Menschenrechtsorganisationen. "Allerdings ist es sehr schwierig, verlässliche Informationen über konkrete Fälle zu bekommen", klagt Angelika Rädler von amnesty international (ai) Österreich.