Die letzten drei Präsidenten waren wichtige Garanten für die Verfassung.
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Wien/Rom. Nicht Mangel an Mut oder Nachgeben vor Einschüchterungsversuchen, sondern Klugheit rieten ihm, all das nicht zu sagen, was man im Sinne der Pflicht zur Aufrichtigkeit sagen müsse. Und deshalb schiene es ihm besser zu schweigen. In der wohl ungewöhnlichsten Silvesteransprache in der Geschichte der italienischen Republik hatte der damalige umstrittene italienische Staatspräsident Francesco Cossiga am 31. Dezember 1991 die Ohnmacht des italienischen Staatsoberhauptes verdeutlichen wollen.
Tatsächlich sind die Kompetenzen des in der Verfassung als Repräsentant der nationalen Einheit definierten Staatsoberhauptes äußerst beschränkt. Ohne Gegenzeichnung durch ein Regierungsmitglied kann er nur seine Funktionen als Präsident des Obersten Richterrates und des Obersten Verteidigungsrates ausüben, Senatoren auf Lebenszeit ernennen, die beiden Parlamentskammern auflösen - allerdings nicht mehr in den letzten sechs Monaten seiner Amtszeit -, informelle Erklärungen abgeben und seinen eigenen Rücktritt erklären.
Gerade die letzten drei Präsidenten - der 1992 gewählte Christdemokrat Oscar Luigi Scalfaro, sein 1999 gekürter parteiloser Nachfolger Carlo Azeglio Ciampi und der seit 2006 amtierende frühere Kommunist Giorgio Napolitano - waren in Zeiten politischer Umbrüche und schwerer konstitutioneller Krisen Garanten für die Einhaltung der Verfassung.
Scalfaro, am 25. Mai 1992 erst im 16. Wahlgang nach dem tödlichen Anschlag auf den Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone gewählt, hatte die Krise nach dem Zusammenbruch des alten politischen Systems zu bewältigen. Damals gingen die bis dahin staatstragenden Parteien der Christdemokraten und Sozialisten in einem Sumpf von Korruption unter. Silvio Berlusconi, der die von ihm gesponserten Erfüllungsgehilfen in der Regierung verloren hatte, stampfte über Nacht seine Partei "Forza Italia" aus dem Boden. Im März 1994 gewann er die Parlamentswahlen im Bündnis mit der aus der faschistischen MSI hervorgegangenen Alleanza Nazionale und der Lega Nord. Lega-Nord-Chef Umberto Bossi kündigte ihm aber schon im Dezember 1994 die Gefolgschaft auf und Scalfaro betraute daraufhin den Schatzminister von Berlusconis Regierung, Lamberto Dini mit der Bildung eines Expertenkabinetts. Berlusconi sprach damals von einem "Putsch" und seine Anhänger verziehen Scalfaro bis zu seinem Tod im Jänner des Vorjahres niemals diesen Schritt.
Präsidenten mussten Berlusconi einbremsen
Auch Scalfaros Nachfolger Ciampi, der 1993/94 nach dem Zusammenbruch der alten Machtstrukturen ein Übergangskabinett geführt hatte, musste sich, nachdem er im Mai 1999 bereits im ersten Wahlgang gewählt worden war - wie vor ihm nur die Präsidenten Enrico De Nicola im Jahr 1947 und Francesco Cossiga 1985 -, in seiner siebenjährigen Amtszeit mit den Problemen des 2001 wieder zum Regierungschef gewählten Silvio Berlusconi auseinandersetzen und wiederholt dessen verfassungswidrige Vorgangsweisen stoppen. Auch Ciampis Nachfolger Giorgio Napolitano, der am 10. Mai 2006 im vierten Wahlgang zum neuen Staatsoberhaupt wurde, musste sich mit Berlusconis Eskapaden, der 2008 seine dritte Wahl gewonnen hatte und wieder in das Amt des Regierungschefs zurückgekehrt war, wiederholt auseinandersetzen. Im November 2011, als Italiens Wirtschaft am Rand des Abgrunds stand, betraute Napolitano schließlich den kurz zuvor von ihm zum Senator auf Lebenszeit ernannten Ex-EU-Kommissar Mario Monti mit der Bildung eines Expertenkabinetts. Zuletzt mahnte Napolitano, der die Lösung der derzeitigen Krise seinem Nachfolger überlassen muss, den von ihm berufenen Monti zum Verbleib im Amt, als dieser mit der Präsidentschaft im Senat liebäugelte.
Wer Napolitano nachfolgen wird, war zwei Tage, bevor am Donnerstag die 1007 Wahlmänner umfassende Versammlung aus Senatoren, Abgeordneten und Vertretern der Regionen zu ihrem ersten Wahlgang zusammentritt, noch völlig offen.
Der Chef der Demokratischen Partei (PD), Pier Luigi Bersani, strebt zwar noch immer eine gemeinsame Lösung mit der Berlusconi-Partei PdL an. Bersani muss sich aber nicht nur mit Berlusconis Veto gegen eine Kandidatur des früheren Premiers Romano Prodi auseinandersetzen, sondern auch mit Querschüssen seines parteiinternen Herausforderers Matteo Renzi, der sich mit Untergriffen gegen eine Kandidatur des früheren Senatspräsidenten Franco Marini und der PD-Senatorin Anna Finocchiaro ausgesprochen hatte. Das brachte die PD an den Rand einer Spaltung.
Inzwischen wächst in der PD die Unterstützung für Romano Prodi, der aber angesichts des Berlusconi-Vetos erst im vierten Wahlgang zum Zug kommen könnte, wenn für die Wahl des Präsidenten nicht mehr eine Zweidrittel-Mehrheit, sondern nurmehr eine absolute Mehrheit von mindestens 504 Stimmen notwendig ist. Prodi unterstützen sowohl die PD-Parteipräsidentin Rosy Bindi als auch die Anhänger Renzis.
Als Alternative zu einer Kandidatur Prodis wird der frühere sozialistische Premier Giuliano Amato gehandelt, der gegebenenfalls die Zustimmung des Mitte-Rechts-Lagers finden könnte. Aber auch der Name des früheren Premiers und Außenministers Massimo D’Alema, der vor sieben Jahren am Veto aus den Berlusconi-Kreisen gescheitert ist, wurde am Dienstag ins Spiel gebracht. D’Alema hatte sich in den letzten Tagen in Gesprächen mit Renzi und Bersani um die Beilegung der innerparteilichen Turbulenzen bemüht.