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Warum sind Talkshows so beliebt? Eine Antwort unter vielen: Talkshows sind Treffen von so genannten Sympathieträgern. Nehmen wir z. B. die "Johannes B. Kerner Show" am späten Dienstagabend im ZDF. Da plauderte ein nicht gerade übertrieben brillanter, aber doch sympathischer Redner, eben der Herr Kerner, mit seinen Gästen - u. a. mit einer lebhaften Frau namens Christine Strobl, die mit nicht zu überhörendem schwäbischem Akzent aus ihrem Leben erzählte.
Christine Strobl ist nicht irgendwer, sondern die Tochter des deutschen Politikers Wolfgang Schäuble, der vor einigen Jahren Opfer eines Attentats wurde und seither auf den Rollstuhl angewiesen ist. Als dieser Anschlag verübt wurde, war seine Tochter dabei. In der Show sprach sie darüber mit der resoluten Lebenstüchtigkeit, die eine geläufige deutsche Stammespsychologie von den Schwäbinnen erwartet: Auf der Intensivstation habe ihr Vater einmal eine depressive Krise gehabt. Da aber habe sie ihm ins Gewissen geredet, "Des kann ja jetzt au ned sei, dass du de Mut verlierscht" habe sie zu ihm gesagt, und da habe er sich zusammengenommen.
Keine Frage, dass diese positiv denkende junge Frau Sympathien erweckte. Und deshalb wäre es überhaupt nicht notwendig gewesen, dass man die Textzeile: "Christine Strobl gab ihrem Vater das Leben zurück" einblendete, während sie sprach. Aber, dass alles doppelt und dreifach ausgesprochen und visualisiert wird, gehört eben auch zu dem überdeutlichen Medium namens Fernsehen.