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Größte Verhaftungswelle seit sechs Jahren. | Auch KP im Visier Assads. | Beirut. Zwei Wochen nach der Verhaftung des prominenten syrischen Intellektuellen Michel Kilo hat sich die Zahl der von Sicherheitskräften Inhaftierten weiter erhöht. Unter den Opfern der Verhaftungswelle des Regimes von Präsident Bashar al-Assad war der prominente Menschenrechtsanwalt Anwar al-Bunni. Seinem Kollegen Khalil Maatouk zufolge befindet er sich seit seinem Haftantritt im Hungerstreik. Bei Besuchen anderer Gefangener habe er Verletzungen feststellen können.
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Auch zwei Politiker der verbotenen kommunistischen Partei der Arbeit, kurdische Menschenrechtsaktivisten, Anwälte sowie Journalisten wurden festgenommen. Politische Beobachter in Damaskus gehen davon aus, dass die Anfang des Monats veröffentlichte Damaskus-Beirut-Erklärung von knapp 300 syrischen und libanesischen Assad-Kritikern Auslöser für die Repressionswelle war. Darin werden die "Notwendigkeit einer definitiven Anerkennung der Unabhängigkeit des Libanon durch Syrien" und "transparente Beziehungen" gefordert, "die den Interessen der Bevölkerung in beiden Ländern gerecht werden und sie gegen die israelischen Aggressionen und die amerikanische Hegemonie stärken".
"Präventivkrieg"
"Die Regierung hat einen Präventivkrieg begonnen, der darauf abzielt, all jene mundtot zu machen, die über ein Tabuthema sprechen: Die syrisch-libanesischen Beziehungen", erklärte Mitunterzeichner Jassin Haj-Saleh, der noch auf freiem Fuß ist. Die Aufforderung der EU, die inhaftierten Oppositionellen wieder auf freien Fuß zu setzen, lehnte die syrische Regierung als Einmischung in innere Angelegenheiten ab. Die regierungstreue Tageszeitung "Tishrin" hatte es bereits zuvor als "verdächtig" bezeichnet, dass die Veröffentlichung der Damaskus-Beirut-Petition mit der Resolution 1680 des UNO-Sicherheitsrats zusammenfiel. Der völkerrechtlich bindende Beschluss enthält ähnliche Forderungen wie das Papier der Dissidenten und sieht unter anderem die Einrichtung einer syrischen Botschaft in Beirut vor. Bisher gibt es keine offiziellen diplomatischen Beziehungen, da syrische Truppen bis April vorigen Jahres laut Taif-Friedensvertrag, der den Bürgerkrieg 1989 offiziell beendete, als anerkannte Stabilisierungseinheit im Libanon stationiert waren.
Bei der Serie von Verhaftungen handelt es sich um den größten Schlag gegen die schwache syrische Oppositionsbewegung seit dem Ende des so genannten "Damaszener Frühlings" zum Jahreswechsel 2000/2001. Kurz nach Assads Amtsantritt im Sommer vor sechs Jahren hatte es zunächst Hoffnung gegeben, der 40-Jährige würde einen von zahlreichen Intellektuellen geforderten und in informellen Zirkeln tatkräftig durchgeführten Demokratisierungskurs zulassen. Doch bereits Ende 2000 waren zahlreiche Führungsfiguren der Opposition hinter Gittern.
Schulterschluss
Ein weiterer Grund, die Opposition ein für allemal mundtot zu machen, dürfte in dem Zusammenschluss von Ex-Vizepräsident Abdel Halim Khaddam und dem Generalsekretär der Muslimbrüder, Ali Sadreddin al-Bayanouni liegen. Im März schlossen sie sich zur Nationalen Heilsfront zusammen und wollen nun gemeinsam versuchen, die in säkulare und islamische Kreise gespaltene Exilopposition zu einen.