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Der Westen sollte sich gut überlegen, ob er sich die richtigen Partner für den angestrebten Sturz von Bashar al-Assad ausgesucht hat.
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Es ist nicht allzu lange her, da genoss Syriens Präsident Bashar al-Assad noch alle Sympathien des Westens: Neben Diners in den feinsten Pariser Lokalen stand auch ein feierlicher Empfang in Wien im Jahr 2009 auf seiner Tagesordnung. Kaum drei Jahre später hat sich das Blatt plötzlich gewendet: In der Verurteilung und Boykottierung der Herrschaft Assads hat sich Österreich der Europäischen Union angeschlossen, die wiederum zu den engsten Verbündeten der USA zählt. Welche fatalen Konsequenzen die völlig vorbehaltlose Unterstützung der syrischen Opposition allerdings für die gesamte Region und für Europa mit sich bringen könnte, ist den Regierungen kaum bewusst. Dabei würde ein Blick in Richtung Nordafrika genügen: Dort war die Ausgangslage eine viel günstigere, doch politische Instabilität und eine sinkende Nachfrage im Tourismus stehen dem erhofften wirtschaftlichen Aufschwung und den Forderungen nach mehr Demokratie eindeutig im Weg. Warum eine Revolution für Syrien, das durch den Konflikt auf den Golanhöhen und wegen enger Kontakte mit der Hisbollah in einem äußerst angespannten Verhältnis zu Israel steht, etwas Positives bewirken sollte - diese Erklärung bleibt die neue Anti-Assad-Liga schuldig.
Zu denken geben sollte vor allem die Tatsache, dass diese westliche Allianz von arabischen Golfstaaten unterstützt wird, die sich selbst nicht unbedingt durch große Toleranz gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten auszeichnen und überdies ein besonderes Interesse an der Durchsetzung eines streng sunnitischen Islam in der Region haben.
Von 1920 bis 1946 wurde Syrien von französischen Truppen besetzt und kolonisiert, 2012 droht sich die Geschichte zu wiederholen: Erneut liegt das Schicksal des Landes in den Händen fremder Staaten, insbesondere der USA, die sich um eine neue Machtkonstellation bemüht, um mit vereinten Kräften gegen den Iran vorgehen zu können. Dass diese Strategie jedoch ein Spiel mit dem Feuer ist, liegt auf der Hand: Glaubt man kritischen Stimmen, so kämpfen derzeit islamistische Söldner Seite an Seite mit den Rebellen der Opposition gegen Assad und sein Militär. Würden sich diese Gerüchte letztlich bewahrheiten und die "Freiheitskämpfer" streng sunnitischen beziehungsweise wahhabitischen Vorstellungen des Islam anhängen, so könnten sich Glaubenskonflikte in der Region, wo Sunniten mit Christen, Juden, Drusen, Alawiten und Schiiten auf engem Raum miteinander leben, gewaltsam entladen. Krieg und Zerstörung, die weit über die Grenzen Syriens hinausgehen würden, wären die Folge.
Allmählich sollten sich nicht nur die USA und die EU, sondern sollte sich auch Israel die wesentliche Frage nach dem politischen Nutzen einer Revolution stellen, die womöglich jene Kräfte gewinnen, die den Verbündeten (mit Ausnahme der Golfstaaten) feindlich gesinnt sind. Eine gemeinsame Allianz gegen den Iran wird jedenfalls nicht auf Dauer über die ideologische Unvereinbarkeit aller Beteiligten hinwegtäuschen und noch viel weniger eine friedliche Zukunft schaffen können.