Zwei Treffen mit US-Diplomaten. | Washington stößt sich an Freundschaft zum Iran. | Damaskus. Quer über den Eingang des beliebten Hamidiye-Souks im Herzen von Damaskus hängt ein großes Plakat mit dem Gesicht des jungen Herrschers. "Gott mit dir, Syrien" heißt es neben dem Bild von Präsident Bashar al-Assad, der sich im Sommer erstmals zur Wiederwahl stellen muss.
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Gottes Hilfe könnte der im Juli 2000 an die Macht gekommene Augenarzt tatsächlich gebrauchen: Nicht, weil er im Juni um die Mehrheit bei der Abstimmung im Parlament und dem anschließenden Referendum bangen müsste. Nein, darum muss sich der Mann an der Spitze der seit 1970 herrschenden Baath-Diktatur keine Sorgen machen. Woran es ihm mangelt, sind äußere Verbündete - außer dem Iran, China und Russland will kaum ein Land mehr mit der einst so stolzen arabischen Nation zu tun haben.
Der Grund: Auch zwei Jahre nach dem Mord an Libanons Expremierminister Rafik Hariri blockiert das Assad-Regime die Einrichtung eines internationalen Tribunals zur Aufklärung des Attentats. Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen hat hohe Geheimdienstoffiziere für das Attentat verantwortlich gemacht. Die EU legten danach ein unterschriftsreifes Assoziierungsabkommen auf Eis, die US-Regierung in Washington zog unmittelbar nach dem Anschlag im Februar 2005 ihre Botschafterin aus Damaskus ab.
Seitdem herrscht Eiszeit in den Beziehungen mit der Weltmacht Nummer eins, die in der Amtszeit von Bashars Vater Hafez Assad oft bestens funktionierten - und erst abrupt endeten, als nach dem Einmarsch der US-Armee im Irak 2003 immer mehr antiamerikanische Kämpfer aus Syrien in den Irak einsickerten. Ein Zustand der Isolation, den das wirtschaftlich am Boden liegende Regime am liebsten sofort überwinden würde: "Syrien will den Dialog mit den Vereinigten Staaten über alle Themen: Palästina, die Golanhöhen, Irak, Libanon und alles andere, was mit den arabischen Staaten zu tun hat", hieß es Ende Februar in der amtlichen Zeitung "ath-Thawra".
Syrien bemüht sich
"Assad ist zum Dialog bereit", erklärt auch Peter Harling, Leiter des Syrien-Büros der renommierten International Crisis Group (ICG). Signale dafür gebe es zuhauf: So sei die Unterstützung militanter Islamisten im Irak schon 2004 beendet worden, die Kontrollen entlang der mehr als tausend Kilometer langen Grenze seitdem so effektiv wie möglich. Auch bei der Vermittlung zwischen den rivalisierenden palästinensischen Fraktionen habe sich das Baath-Regime um Mithilfe bemüht - und die von Washington geforderte konstruktive Rolle in der Region unter Beweis gestellt. Hamas-Chef Khaled Maashal hat seinen Sitz in Damaskus, auch andere islamistische Palästinenserfraktionen wie der Islamische Dschihad unterhalten hier Büros.
Doch Washington und Brüssel reichen die kleinen Schritte offenbar nicht. Anhaltenden Ärger bereitet im Westen vor allem Assads Bündnis mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad. Erst Ende Februar trafen die beiden Parias der Staatengemeinschaft in Teheran aufeinander. Ohne Gegenleistungen den von Präsident George Bush und seinen europäischen Verbündeten gewünschten Bruch mit Ahmadinejad zu vollziehen, hält ICG-Chef Harling jedoch für absurd: "Das Bündnis zwischen Damaskus und Teheran besteht seit fast dreißig Jahren. Warum sollte Assad darauf verzichten?"
Zeit spielt für Assad
Aber letztlich spielt die Zeit für Assad. Sollte das Eis bei der Irak-Konferenz in Bagdad, bei der auch die Syrer mit am Tisch sitzen werden, nicht gebrochen werden, gibt es gegen Ende des Monats weitere Gelegenheit dazu. Mit Ellen Sauerbrey wird eine enge Mitarbeiterin von Außenministerin Condoleezza Rice in Damaskus erwartet. Als offiziellen Grund für den Bahn brechenden Besuch gab das State Department Anfang März "humanitäre Fragen in Bezug auf irakische Flüchtlinge" an. Doch dahinter dürfte sich mehr verbergen: Wie nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 liegt eine Wiederaufnahme der geheimdienstlichen Zusammenarbeit, die erst mit dem Beginn des Irak-Krieges seitens der USA abgebrochen wurde, auf der Hand.
Gefahr Islamisten
Denn unter den inzwischen auf rund eine Million angewachsenen irakischen Flüchtlingen in Syrien tummeln sich mehr und mehr kampfbereite sunnitische Islamisten. Ihnen ist die säkulare Minderheitendiktatur des Alawiten Assad - die Alawiten spalteten sich im 9. Jahrhundert von den sogenannten Zwölferschiiten ab - ein Dorn im Auge. Fast neunzig Prozent der 17 Millionen Syrer sind Sunniten. Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre war das Regime von Hafez al-Assad in einen Bürgerkrieg mit der militanten sunnitischen Muslimbruderschaft verstrickt, die erst durch das Massaker von Hama zerschlagen werden konnte. Bis zu 10.000 Menschen kamen bei der Belagerung der Stadt durch Regierungstruppen ums Leben.
Lob aus Washington
Erinnerungen an die Stärke der von London aus geführten Organisation werden immer wieder wach, wenn das autoritäre Regime Verhaftungen von Terroristen bekannt gibt. So auch im September vergangenen Jahres, als eine Gruppe bewaffneter Kämpfer einen Anschlag auf die US-Botschaft im mondänen Diplomatenviertel von Damaskus verübte: Drei Angreifer und ein syrischer Wachmann kamen bei der mitten am Tag dilettantisch durchgeführten Attacke ums Leben.
Wichtiger noch als die Vereitelung des Anschlags durch die syrische Polizei dürfte die Anerkennung aus Washington gewesen sein. "Ich denke, dass die Syrer auf diesen Angriff in einer Weise reagiert haben, der unsere Leute geschützt hat, und das schätzen wir sehr", erklärte danach Außenministerin Rice. Und der Sprecher des Weißen Hauses, Tony Snow fügte hinzu: "Dadurch zeigt sich einmal mehr, dass Syrien ein wichtiger Alliierter im Krieg gegen den Terror ist." Auf dieser Grundlage dürften die Beziehungen zwischen den beiden Staaten in den nächsten Monaten weiter gedeihen.