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Syrien und das Atomabkommen

Von Walter Posch

Gastkommentare
Walter Posch studierte Islamwissenschaft, Turkologie und Iranistik in Wien, Istanbul und Bamberg. Er arbeitet am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement der Landesverteidigungsakademie in Wien.

Was die Einigung zwischen dem Westen und dem Iran für die Region bedeutet.


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Mit dem Nuklearabkommen zwischen dem Westen und dem Iran wurde ein 13-jähriger diplomatischer Prozess erfolgreich zu Ende gebracht, der schon oft an der Kippe zum Scheitern stand. Nach langwierigen und zermürbenden Verhandlungen kam ein Text zustande, der im Detail die Ziele des Abkommens und den Plan ihrer Umsetzung vorgibt. Zusätzlich ist ein Regelungsmechanismus für Meinungsverschiedenheiten vorgesehen. Damit sollte das Abkommen auch die Gegner in Teheran und Washington überzeugen.

Nicht überzeugt hat das Abkommen wichtige Staaten in der Region. Während Saudi-Arabien sich in Zurückhaltung übt und seine Optionen abwägt, hat Israel die in Wien getroffene Übereinkunft als "historischen Fehler" bezeichnet. Angesichts der Tatsache, dass Freunde und Verbündete Israels mit den Iranern am Verhandlungstisch saßen, wirkt die Kritik aus Tel Aviv überzogen.

Allerdings fürchten die Israelis nicht das iranische Nuklearprogramm als solches, sondern den nach diesem Abkommen zunehmenden internationalen Druck, es den Nachbarstaaten gleichzutun und nun selbst dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, was den Beginn einer aus israelischer Sicht gefährlichen Abrüstungsspirale bedeuten würde. Außerdem leugnet das revolutionäre Regime in Teheran nicht nur das Existenzrecht Israels und unterstützt dessen radikalste Gegner, es existieren auch keine belastbaren informellen Kontakte mit den Iranern, die notwendig wären, um eine ungewollte, auf Fehlkalkulationen beruhende Eskalation rechtzeitig zu verhindern.

Doch die iranisch-israelische Feindschaft ist ohnehin nicht mehr die wichtigste strategische Determinante im Nahen Osten. Vielmehr ist es der Aufstieg des IS und der Al-Kaida-Netzwerke, die gegen den Iran und die Schiiten allgemein und gegen die USA mobil machten. Was das Abkommen auf regionaler Ebene nun erlaubt, ist eine nüchterne Analyse gemeinsamer Interessen und geteilter strategischer Prioritäten. Dazu gehören die Stabilisierung des Irak und die Einleitung eines politischen Prozesses zur Stabilisierung Syriens.

Während im Fall des Irak die Interessenkonvergenzen eindeutig sind und Iraner und Amerikaner parallel und nur lose von der irakischen Regierung koordiniert den IS zurückzudrängen versuchen, liegen die Verhältnisse in Syrien komplizierter.

Die Kernfrage ist schon längst nicht mehr, ob das Regime von Syriens Machthaber Bashar al-Assad überlebt oder nicht, sondern wie eine - vermutlich auf konfessionellen Kantonen beruhende - Ordnung nach Assad aussehen könnte. Hier hat noch niemand eine Patentlösung gefunden - doch soviel ist sicher: Ein verhandelter internationaler Rahmen zur Lösung der syrischen Tragödie muss neben dem Iran auch Saudi-Arabien beinhalten.

Damit bleibt zu hoffen, dass nach dem nun geglückten Nuklearabkommen die Führung in Teheran ihr neu gewonnenes politisches Kapital verantwortungsvoll einsetzt und Riad gegenüber nicht als Hegemon, sondern als Partner auftritt. Den konzilianten Stil und das diplomatische Geschick dazu hätten Präsident Hassan Rohani und Außenminister Mohammad Javad Zarif.