Opposition boykottiert Parlamentswahl. | UNO-Generalsekretär trifft Präsident Assad. | Beirut. In Syrien sind am Montagnachmittag die Parlamentswahlen zu Ende gegangen. Es war der zweite nationale Urnengang, seitdem der 41-jährige Präsident Bashar al-Assad im Sommer 2000 die Macht von seinem verstorbenen Vater Hafez übernahm. Schätzungen aus Diplomatenkreisen zufolge nahm nur jeder zehnte der rund 7,6 Millionen Wahlberechtigten an den Wahlen teil. Wegen der geringen Beteiligung verlängerten die Behörden die Öffnungszeiten der Wahllokale am Montag um zwei Stunden.
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Noch vor Bekanntgabe der amtlichen Endergebnisse am Mittwoch ist klar, dass die seit 1970 regierende Baath-Partei und die mit ihr verbündete Nationale Fortschrittsfront (NFP) die Mehrheit der Sitze im 250-Abgeordnetenparlament verteidigen werden: Das seit 1973 gültige Wahlgesetz sichert allein der Baath-Partei mehr als die Hälfte der Sitze zu. Aber auch die Mehrheit der anderen Sitze wird von Verbündeten des Regimes kontrolliert. Die rund 2500 Kandidaten mussten sich vorher einer Überprüfung durch die Behörden stellen.
Unabhängige chancenlos
Wegen der Chancenlosigkeit unabhängiger Kandidaten hatte der Rechtsanwalt Hassan Abdel-Azim deshalb bereits vor dem Beginn der Wahlen am Sonntag zum Boykott aufgerufen. Es sei "sinnlos, an Wahlen teilzunehmen, deren Ergebnisse schon vorher bekannt sind", erklärte der Sprecher von sechs verbotenen Parteien, die sich als Nationale Demokratische Versammlung (NDR) zusammengeschlossen haben. Auch das bei den vergangenen Wahlen ins Parlament gewählte Oppositionsmitglied Maamoun al-Homsi riet von einer Teilnahme ab. "Die Sicherheitsdienste haben den Wahlkampf geführt", erklärte der nach mehreren Monaten Haft im Jänner entlassene Dissident, "während Intellektuelle, Politiker und rechtschaffene Bürger in den Gefängnissen schmachten."
In den Monaten nach seiner Wahl zum Präsidenten im Sommer 2000 - das Parlament hatte eigens das Mindestalter von 40 auf 34 Jahre gesenkt - hatte Bashar al-Assad Hoffnungen auf einen Demokratisierungskurs geweckt. Doch der so genannte demokratische "Damaszener Frühling" endete 2001 mit der Verhaftung Hunderter Oppositionsmitglieder. Erst im vergangenen Jahr setzte sich die Repressionswelle fort, als eine weitere Reihe prominenter Menschenrechtler wegen einer Deklaration zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, darunter al-Homsi, der seit seiner Freilassung im Jänner im libanesischen Exil lebt.
Hariri-Ermittlung blockiert
Neben der Verfolgung von Regimekritikern steht Assads Regierung international deshalb am Pranger, weil sie die Einrichtung eines Tribunals zur Aufklärung des Mordes an Libanons Ex-Premierminister Rafik Hariri blockiert. Hariri war im Februar 2005 in Beirut bei einem Autobombenanschlag ums Leben gekommen, eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen machte kurze Zeit später hochrangige syrische Sicherheitskreise für das Attentat verantwortlich. Zudem wirft die UNO Assad vor, die libanesische Parteimiliz Hisbollah mit Waffen zu versorgen und für eine Reihe weiterer politischer Attentate in den vergangenen beiden Jahren verantwortlich zu sein.
Das Treffen von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon mit Assad am Dienstag in Damaskus sollte nicht zuletzt diese Themen behandeln. Ban warnte, der Waffenschmuggel gefährde das Waffenstillstandsabkommen, das den Krieg zwischen Israel und der Hisbollah. Nach dem versöhnlichen Auftritt Assads auf dem Gipfel der Arabischen Liga in Riad im März halten politische Beobachter ein Einlenken des 41-jährigen Präsidenten in der Frage des Hariri-Tribunals für möglich. Zeichen eines Aufbrechens der internationalen Isolation gab es schon vor dem Gipfel in Saudi-Arabien: Im Dezember besuchte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier Assad, dieses Jahr folgten der EU-Außenpolitikbeauftragte Javier Solana und die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Im Sommer stellt sich Assad erstmals seit seinem Amtsantritt vor knapp sieben Jahren einem Referendum.