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Simpel formuliert, lässt sich Politik auf das Versprechen einer besseren Zukunft reduzieren. Vorrangig für einen jeden selbst, aber durchaus auch längerfristig - "für die Enkerln" sozusagen. Griffig verpackt verkaufen die Parteien dieses Versprechen dann als "Vision". Das jedoch ist leichter gesagt als getan.
In den Jahren der Hochkonjunktur entschuldigten die etablierten Parteien ihr Versagen an der Visionsfront mit dem Hinweis, dass man eben Opfer des eigenen Erfolgs geworden sei; was noch zu tun bleibe, erschöpfe sich in der Perfektionierung des Erreichten. Entsprechend uninspiriert gerieten die Wahlkampagnen. Den Bruch mit dem Bestehenden zu fordern - und sei es nur aus Provokationslust - überließ die Mitte den Rändern.
Damit ist es nun vorbei. Der Satz vom Opfer der eigenen Erfolge steht angesichts der schwersten Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erheblich unter Ironieverdacht. SPÖ und ÖVP werden im Hinblick auf die Wahlen 2013 gar nicht darum herum kommen, sich neu aufzustellen.
Man muss kein großer Prophet sein, um für die SPÖ einen Linksruck vorherzusagen. Dieser Zug ist bereits aus dem Bahnhof. Die Themenlage macht dies naheliegend. Zudem hat in Frankreich ein Sozialist mit einem linkspopulistischen Programm die Wahlen gewonnen, der alles andere als ein politischer Showstar ist. Werner Faymann wird sich den Wahlkampf Francois Hollandes ganz genau anschauen; einziger Unterschied: Hollande half die massive Unpopularität des Amtsinhabers, in Österreich ist es Faymann, der um die Wiederwahl kämpft.
Für die ÖVP stellen sich die Schlussfolgerungen aus der Krise komplexer dar. Sparen, Schuldenreduktion und Strukturreformen ist zweifellos für den wirtschaftsaffinen Teil der potenziellen ÖVP-Wähler attraktiv, für viele andere, darunter Beamte, Bauern und die Landesfürsten, aber ein Angebot zum Ausstieg.
Im Gegensatz zur SPÖ, die sich dank der Krise wieder ihrer "linken Seele" vergewissern kann - und sei es nur rhetorisch -, gefährden die realpolitischen Herausforderungen den prekären Kompromiss, der die Einheit der Volkspartei gewährleistet. Michael Spindelegger braucht dringend Antworten auf die Krise, die sowohl bei den Wählern, als auch in seiner Partei mehrheitsfähig sind. Von daher ist der Eifer, mit dem sich die ÖVP der Demokratiereform widmet, zwar verdienstvoll; wichtiger für die Zukunft der Partei werden aber wohl Antworten auf andere Fragen sein.