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Vielleicht steckt hinter dem, was Bundeskanzler Werner Faymann am Montag mit den Bankenchefs besprochen hat, in Wirklichkeit eine Welt- und Menschheitsstory.
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Wahrscheinlich geht es gar nicht mehr um Geld, Verteilungsgerechtigkeit und die Systemmängel der Wirtschaft, sondern um einen historischen Zusammenbruch von Anstand und Moral der Mächtigen. Und zwar in einem Ausmaß, dass man nicht nur einige Hedgefonds-Treiber, Bonus-Empfänger und wohl auch manche korrupte Lokalpolitiker als Schufte bezeichnen, sondern das gesamte System als Produkt eines kriminellen Codes brandmarken müsste.
Der Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz fing diese Sorge vergangenen Donnerstag in einer öffentlichen Diskussion mit der Feststellung ein, dass der Umgang in der Politik von "institutionellen politischen Lügen betreffend des Umgangs mit der Wahrhaftigkeit" geprägt sei. Eine zivil-ethische Krise bedrücke das Bundesland Kärnten. "Wertegefüge sind aus dem Lot gekommen. Grundordnungen werden nicht mehr akzeptiert."
Man kann solche der Apokalypse nicht sehr fernen Aussagen mit der Bemerkung wegwischen, da gehe bloß ein Gottesmann seinem Beruf nach und predige. Völlig unabhängig davon hat in derselben Woche aber das "Internationale Forum für Wirtschaftskommunikation" Wolfgang Hetzer, einen Experten des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung, zu Gast, der seine persönliche, nicht-amtliche Meinung kundtat: "Die Finanzindustrie, die Wirtschaft und die Politik sind teilweise eine Domäne der organisierten Kriminalität geworden", sagte er, und bezog sich beileibe nicht nur auf Kärnten und das kleine Österreich.
Wenn Banken systemrelevant seien, dann müsse man fragen, ob es mittlerweile eine Systemkriminalität gebe. Betrug und Erpressung seien der Funktionsmodus angeblicher Leistungseliten geworden, die teils aus pathologischem Gewinnstreben, teils unter sogenannten Sachzwängen ohne Zögern Handlungen ausführten, die bisher nur von der Mafia bekannt gewesen seien.
In der Tat, wer heute zurückblickt auf den bisherigen Verlauf der Finanz- und Wirtschaftskrise: War sie nicht eine systematische und geräuschlose Enteignung von Millionen Häuslkreditsparern, Pensionsvorsorglern, Immobilienaktienkäufern und Steuerzahlern? Glaubt in Österreich wirklich jemand, dass Staatsanwälte und Gerichte in der Lage wären, Licht und je nach Befund auch Strafurteile in die anstehenden Verdachtsfälle zu bringen, die von Auswüchsen des Waffen-Lobbyismus über die fahrlässige Krida von Bundesländer-Zwergen bis zu den Vorgängen um die Bayerische Landesbank mit angehängter Hypo Alpe Adria reichen?
"Das dramatische Ausmaß der Gefahr wird nicht erkannt", konstatiert der Betrugsexperte Hetzer. Rechtstreue und Loyalität zählten nicht mehr zu den wichtigsten Funktionsprinzipien von Gesellschaften als Solidarverband. Eine entsprechend zersetzte Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung, gekaufte Machthaber, gemietete Parteien sowie eine hoffnungslos unterlegene Strafrechtspflege könnten irgendwann in eine Risikolandschaft führen, in der bürgerliche Sicherheit nicht mehr zu garantieren sei. Wenn die Kriminalität aber systemisch ist, dann lässt sie sich durch das bisher funktionierende Ordnungssystem nicht mehr bekämpfen.
Es scheint, dass wir uns seit Oktober 2008, als die ganze Malaise offenkundig wurde, Schritt für Schritt der Frage nähern, was der Mensch ist und darf. Und dazu gehört gewiss nicht das Stilmittel derer, die sich auch noch für lebenstüchtig halten, nämlich jeden aufkommenden Widerstand durch Einsatz von Geld lautlos wegzuräumen.