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Systemversagen bei Hypo

Von Karl Leban

Wirtschaft

Ein Untersuchungsbericht stellt ein schlechtes Zeugnis aus.


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Wien. Das Milliarden-Debakel der Kärntner Hypo Alpe Adria hat viele Väter. Die bittere Erkenntnis dabei: Dass es dazu in dieser Dimension kommen konnte, ist auch den Bilanzprüfern, der Bankenaufsicht und politischen Entscheidungsträgern anzulasten. Der Bericht der Hypo-Untersuchungskommission, den diese am Dienstag nach sieben Monaten Arbeit vorgelegt hat, spricht hier jedenfalls eine deutliche Sprache. "Die Vorkommnisse rund um die Hypo sind von Fehlentwicklungen und Fehlleistungen auf Landes- und Bundesebene gekennzeichnet", lautet das Fazit von Irmgard Griss, der Kommissionsvorsitzenden.

Bei der Hypo ist besonders viel schiefgelaufen. Begonnen hat alles 1998 mit der aggressiven Expansion am Balkan, die vom Land Kärnten mit unbeschränkten Haftungen unterstützt wurde. Diese Garantien seien ein "klarer Fall von ,moral hazard‘" gewesen, urteilt die Kommission in ihrem Bericht. "Das Land rechnete offenbar damit, dass der Bund einspringen würde, sollte die Haftung schlagend werden." Die Bank wiederum sah keinen Grund dafür, ihr riskantes Wachstum zu bremsen, "weil sie sich durch die Landeshaftung zu günstigen Bedingungen refinanzieren konnte".

Kein Risikomanagement

Woran es in der Hypo in der Expansionsphase besonders krankte: Das Management unterließ es, wirksame Risikomanagementsysteme aufzubauen, um auf Herausforderungen entsprechend reagieren zu können. In diesem Zusammenhang kritisiert die Kommission: "Es ist nicht erkennbar, dass Abschlussprüfer, Bankenaufsicht oder das Land Kärnten (die Kärntner Landesholding) die ihnen offenstehenden Möglichkeiten in einem ausreichenden Maß genützt hätten, um auf eine Begrenzung der Risiken hinzuwirken."

So hätten die Abschlussprüfer zwar regelmäßig schwere Mängel festgestellt (Missstände im Risikomanagement oder im Kreditportfolio), für die Bilanz dennoch aber immer den Bestätigungsvermerk erteilt. Mit Ausnahme der Jahresabschlüsse 2004 und 2005, für die der Bestätigungsvermerk nach Bekanntwerden der Swap-Verluste 2006 zurückgezogen wurde.

Seitenhieb auf Nationalbank

Kritisch sieht die Hypo-Kommission auch die Rolle der Notenbank (OeNB) als Bankenaufsicht. Auch die OeNB habe bei ihren regelmäßigen Prüfungen der Bank vor deren Verstaatlichung (Ende 2009) "wiederholt gravierende Mängel" im Risikomanagement und den Kontrolleinrichtungen festgestellt. "Dennoch wurde weder intensiver geprüft noch die Bank mit dem notwendigen Druck zur Behebung der Mängel angehalten", heißt es im Bericht. Zudem habe die Nationalbank nicht ausreichend Druck auf das Hypo-Management ausgeübt, damit das rasante Wachstum eingeschränkt wird.

Kein gutes Haar lässt die Kommission auch an den Urteilen der Bankenaufsicht über den Zustand der Hypo, als es im Herbst 2008 - ungefähr ein Jahr nach dem Einstieg der Bayerischen Landesbank - um die ersten Staatszuschüsse ging. Die Notenbanker bezeichneten den Zustand der Bank damals in einer unüblichen Diktion als "not distressed", nicht notleidend. Die OeNB hätte sich jedoch festlegen müssen, ob die Bank "sound" oder "distressed" ist, meint Griss. "Vielleicht war es eine österreichische Lösung, aber eben keine gute Lösung." Dem Finanzministerium wirft die Kommissionsvorsitzende vor, damals verabsäumt zu haben, bei der Bankenaufsicht eine eindeutige Beurteilung einzufordern.

Wäre die Hypo bereits zum damaligen Zeitpunkt als "distressed" eingestuft worden, hätte schon damals ein Plan für ihre Restrukturierung erstellt werden müssen. Stattdessen gewährte die Republik die erste Kapitalhilfe (900 Millionen Euro) und verpasste damit eine Gelegenheit, die Bank zu zwingen, ihre strukturellen Probleme anzupacken und zu lösen.

Auch auf die Umstände der Hypo-Verstaatlichung vor fünf Jahren geht die Kommission in ihrem Bericht ein. Ohne Namen zu nennen, wirft sie den politischen Entscheidungsträgern auf Bundesebene vor, die Entscheidung für die Verstaatlichung ohne ausreichende Informationsgrundlage getroffen zu haben. Damit aber hätten die österreichischen Verhandler keine Alternativszenarien entwerfen können, die ein Gegengewicht zur Strategie der BayernLB und ihres Eigentümers, des Freistaats Bayern, hätten sein können. Deshalb sei das Ergebnis der Verhandlungen maßgeblich von der Gegenseite bestimmt worden, so die Kommission. Durch österreichische Garantien für Kreditrückzahlungen und bayrische Mitwirkungsrechte bei Hypo-Umstrukturierungen hätten sich die Bayern dabei gleich doppelt abgesichert.

Abbaulösung verschleppt

Hätte man schon vor der Verstaatlichung geprüft, ob die BayernLB-Kredite für die Hypo Eigenkapitalersatz sind, hätten die damaligen Drohungen der Bayern, ihre Tochter in den Konkurs zu schicken, an Wirksamkeit verloren, meint die Kommission. Österreich hätte mit den Bayern anders verhandeln und etwa einen Sanierungsbeitrag verlangen können. Denn für die BayernLB seien sechs bis acht Milliarden Euro auf dem Spiel gestanden.

Für den Bund bestand zwar die Gefahr, für das Land Kärnten einspringen zu müssen, sollte dessen Haftung von damals rund 20 Milliarden Euro schlagend werden. Wie viel Geld das Land Kärnten (respektive der Bund) letztlich aufzuwenden gehabt hätte, hing aber davon ab, wie hoch der Ausfall nach Einziehung sämtlicher Forderungen und Verwertung aller sonstigen Assets der Hypo gewesen wäre. Griss: "Was den Reputationsverlust betrifft, war die Lage für den Bund jedenfalls nicht schlechter als für den Freistaat Bayern als den wirtschaftlichen Eigentümer der BayernLB." Und: "Man kann nicht sagen, dass es eine Notverstaatlichung war."

Im Blindflug unterwegs gewesen zu sein, bescheinigt die Kommission der österreichischen Politik aber auch für die Zeit nach der Hypo-Verstaatlichung. So sei etwa die Gründung einer Abbaueinheit, die anders als eine Bank weniger strengen Eigenkapitalvorschriften unterliegt, jahrelang verschleppt worden - "aus sachfremden Motiven", so der Bericht, weil vermieden werden sollte, dass eine "Bad Bank" die Staatsschulden erhöht. Das Hinauszögern der unumgänglichen Abbaulösung, die es erst seit Ende Oktober gibt, habe die Rechnung für den Steuerzahler jedenfalls verteuert.

Außerdem sei die Aufarbeitung der Hypo-Vergangenheit derart im Vordergrund gestanden, "dass eine Störung des Geschäftsbetriebs, die Behinderung der notwendigen Restrukturierung von Krediten und die Belastung der Bank mit erheblichen Kosten in Kauf genommen wurde". Kritisiert wird auch, dass das EU-Beihilfeverfahren nicht mit dem notwendigen fachlichen Einsatz betrieben worden sei. Griss dazu: "Brüssel ist ein anderer Planet."

Jetzt U-Ausschuss?

Mit einer Stellungnahme zum Hypo-Bericht hat sich die Bundesregierung am Dienstag - sie hatte die aus fünf unabhängigen Finanz- und Rechtsexperten bestehende Kommission initiiert - vorerst zurückgehalten. Indes sehen sich die Oppositionsparteien durch den Bericht in ihrer Sicht der Hypo-Dinge bestätigt. FPÖ, Grüne, Team Stronach und Neos befürworteten einmal mehr einen parlamentarischen U-Ausschuss zur Klärung der politischen Verantwortlichkeiten.

Aus dem Ressort von Finanzminister Hans Jörg Schelling, der am Dienstag seinen Amtskollegen Wolfgang Schäuble in Berlin traf, hieß es, man werde den Bericht jetzt einmal genau analysieren. Danach sei mit einer Reaktion zu rechnen.