Klimaforscher Georg Kaser hofft auf heftige Reaktionen auf den IPCC-Bericht.
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Wien/Stockholm. Wird der neue IPCC-Bericht einen Aufschrei auslösen? "Ich hoffe schon", sagt der Klimaforscher Georg Kaser, Experte für Glaziologie an der Universität Innsbruck, zur "Wiener Zeitung". Kaser nahm an den vorbereitenden Gesprächen für die Präsentation des Berichts in Stockholm teil. Am Freitag wurde eine 36-seitige "Summary for policy makers" (die Zusammenfassung für Politiker) präsentiert. Am Montag folgt der gesamte Bericht.
Besonders die endgültige Zusammenfassung für Politiker "ist manchmal sehr zäh. Man muss sich auf diesen Text Zeile für Zeile einigen", sagt Kaser. Auf der einen Seite müssen die Forscher genau darauf achten, dass alles korrekt ist und die verkürzte Version auch den langen Bericht reflektiert. "Auf der anderen Seite haben "beamtete Experten" - diesmal waren 115 der 195 UN-Mitgliedsstaaten vertreten - die Aufgabe, "uns dazu zu bringen, Formulierungen zu wählen, von denen sie glauben, dass sie diese ihren Politikern relativ leicht vermitteln können".
Ursachen seit 1900 bekannt
Kaser hat dabei beobachtet: "Man merkt, wie die ihre Politiker kennen - jeder, ob es jetzt der Vertreter Saudi-Arabiens, Russlands oder Großbritanniens ist - kennt seinen Umweltminister, und die funktionieren alle anders." Immer wieder wird der Weltklimarat für diese Vorgansweise kritisiert mit der Begründung, dass zu viele Eigeninteressen einfließen. Kaser zufolge wurde in dem Prozess allerdings konstruktiv gearbeitet, die Einwürfe seien zu 99,9 Prozent vernünftig gewesen.
Dem vorigen IPCC-Bericht hatte man Fehler vorgeworfen. Nun werde jeder Text drei- oder vierfach geprüft. Minimale Fehler könne man aber bei einem 1000-Seiten-Bericht nie ausschließen. So wurde zum Beispiel jüngst noch entdeckt, dass man in eine Tabelle aus einer früheren Variante eine falsche Einheit übertragen hatte.
Errege der Bericht Aufsehen, so Kaser, liege dass nicht daran, dass er "sensationelles Neues" enthalte. "Im Jahr 1900 wurde erstmals der Zusammenhang zwischen Kohlendioxid und Temperaturänderungen quantifiziert, und die Zahlen gelten bis heute für das globale Mittel. Der Rest ist: Vertiefen, vertiefen, vertiefen, beobachten und aufzeigen, was vorhergesagt wurde. Heute weiß man natürlich viel mehr über alle damit verbundenen Prozesse."
Die Klimaforscher seien heute die "meistbeobachtete Gruppe von Wissenschaftern", sagt Georg Kaser, und für alle sei unbestritten, dass der Klimawandel mit dem Menschen und dem Ausstoß der Treibhausgase zusammenhänge. Brisanter als der erste Teil mit seinen eher abstrakten Zukunftsszenarien werde der zweite Teil sein, der konkrete Auswirkungen des Klimawandels behandelt und im April 2014 präsentiert werden soll. "Würde da aufgezeigt, dass in einer Region die Bevölkerung besonders durch Extremereignisse betroffen ist, so hat das große politische Relevanz, und wenn noch dazukommt, wer die Verursacher sind, dann sehen das verschiedene Staaten ganz anders."
Kaser bringt den Klimawandel in ein Bild: "Ich nehme immer das Beispiel einer Brücke, die nicht mehr ganz sicher ist und begutachtet wird. Und schließlich sagt der Gutachter: Wenn ihr weiter mit Lastwagen darüberfahren wollt, dann müsst ihr sie in spätestens einem Jahr renovieren. Wenn ihr nur mit Autos darüberfahrt, könnt ihr noch zehn Jahre warten. Wenn ihr nur mit Rädern fahrt, müsst ihr überhaupt nichts machen. Wenn ihr aber, wie geplant, mit noch schwereren und mit noch mehr Lastautos fahren wollt, dann lasst das, das geht nicht mehr auf dieser Brücke. So ungefähr ist dass Ganze."