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Die Wiener Philharmoniker haben also zu Österreichs Offizialfreude den Birgit-Nilsson-Preis entgegengenommen und das Festpublikum in Stockholm unter anderem mit Franz Liszts "Les Préludes" verwöhnt - jenem Stück, dessen Fanfaren im nationalsozialistischen Rundfunk zur "Siegesmeldung" zu erklingen pflegten. Nun ja, man hat ja schließlich auch gewonnen. Also, nicht damals, sondern jetzt. Und nicht die ganze Welt, sondern nur die Musikwelt und deren höchstdotierten Preis. Soll sein.
Aber dass einer der Juroren, nämlich Clemens Hellsberg, während der Sitzungen noch Vorstand der Wiener Philharmoniker war, bleibt befremdlich. Er hat an der Entscheidung keinen Anteil gehabt, heißt es. Aber es heißt ebenso, die Entscheidung der Jury sei einstimmig gewesen. "Einstimmig" heißt im Sprachgebrauch "ohne Stimmenthaltung". Wie muss man sich das vorstellen? Anruf bei Clemens Hellsberg: "Herr Hellsberg, könnten Sie bitte ihren Sitz in der Jury für eine Stunde zurücklegen, wir wollen den Wiener Philharmonikern den Preis zuerkennen?"
Dass kein Zweifel aufkommt: Die Philharmoniker sind würdige Preisträger. Aber solche Preise haben, neben der finanziellen, stets eine symbolische Bedeutung. Damit ist die Optik wichtig - und sie ist im konkreten Fall verheerend. Obwohl offenbar ein Trick gefunden wurde, der eine "einstimmige Entscheidung" ohne Mitwirkung des Jurymitglieds Hellsberg ermöglicht, so haftet der Entscheidung doch der Misston der Vetternwirtschaft an. Doch gehört ein solcher eben auch bisweilen zu einem der weltbesten Orchester.