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Szenen einer unsteten Beziehung

Von Walter Hämmerle

Politik

Bei Rot wollen manche wieder Blau als Mittel gegen Schwarz. Fast wie früher.


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Wien. Ist die SPÖ tatsächlich gerade dabei, ihr Verhältnis zur FPÖ neu zu ordnen? Oder ist der anwachsende rote Stimmenchor, der für Gespräche mit den Blauen plädiert, nur ein Manöver, um trotz massiver Differenzen in Europa- und Ausländerfragen zumindest den Anschein einer Alternative zur Fortsetzung der rot-schwarzen Koalition zu halten?

Wie hältst du’s mit den Blauen? Diese Frage prägt seit Jahrzehnten den Verlauf der Politik in Österreich. Und spätestens seit Bruno Kreisky ist daraus ein Faktor im Machtpoker der Republik geworden.

Kreiskys Strategie

Der Sonnenkönig schmiedete einen Pakt mit der Mini-Partei: 1970 wurde die SPÖ erstmals mandatsstärkste Partei; Kreisky vereinbarte mit den Freiheitlichen unter Friedrich Peter die Tolerierung seiner Minderheitsregierung im Gegenzug für eine Wahlrechtsreform. Dass Peter den Krieg als SS-Obersturmbannführer beendete, war für Kreisky, dessen Familie von den Nationalsozialisten weitgehend ausgelöscht wurde, kein Hindernis; ihn prägte seine Gegnerschaft zum austrofaschistischen Ständestaat.

1971 hatte der blaue Mohr seine Schuldigkeit getan, die SPÖ eroberte die Absolute, erst 1983 wurde die FPÖ wieder ein Faktor im Spiel um das Kanzleramt. Kreisky hinterließ seinem Nachfolger Alfred Sinowatz eine rot-blaue Koalition. Die FPÖ war mittlerweile eine andere geworden, unter Norbert Steger nahm sie sich die FDP zum Vorbild und positionierte sich als wirtschafts- und sozialliberale Partei.

Nur die eigenen Wähler waren wenig begeistert, entsprechend wuchs der Widerstand gegen den Kurs Stegers. Im April 1986 übernahm ein gewisser Jörg Haider handstreichartig die Partei, Steger und seine FPÖ waren Geschichte. Der gerade erst ins Amt gekommene Bundeskanzler Franz Vranitzky kündigte die Koalition auf und rief Neuwahlen aus: Mit diesem Herrn Haider und seiner Partei nicht - das wurde nun zum Credo der Sozialdemokratie.

Für die SPÖ hatte diese Strategie nicht nur den Vorteil der moralischen Erhöhung, sie sicherte ihr auch Platz eins, da der rechtspopulistische Kurs der Haider-FPÖ zunächst auf die Unterwanderung der ÖVP-Wählerbasis abzielte. Kreiskys Traum von der Zersplitterung des rechten Lagers war noch immer lebendig.

Der Preis musste in der Institutionalisierung der großen Koalition als "ewiger Regierung" berappt werden, da durch die Tabuisierung Haiders (dessen Anhänger sprachen von "Ausgrenzung", die Kritiker von "Selbstausgrenzung") rechnerische Mehrheiten von Rot-Blau und Schwarz-Blau politisch unmöglich wurden.

Haiders Raubzug

Als jedoch Jörg Haider dazu überging, mit linkspopulistischen Tönen zum Sturm auf die roten Bastionen in Gemeindebau und Arbeiterbezirken zu blasen, geriet das rote Tabu der blauen Partei ins Wanken. Etliche begannen erstmals seit Jahren wieder gezielt nach inhaltlichen Überschneidungen, etwa in der Sozialpolitik und durchaus auch in der Zuwanderungspolitik zu fahnden. Die Wortführer waren wenig überraschend Vertreter des rechten Flügels, darunter etliche Gewerkschafter. Prominentester Vertreter war Ende der 90er Jahre der damalige Innenminister und Liebling der "Kronen Zeitung", Karl Schlögl. 1999, als die SPÖ vor der Wahl stand, entweder mit der FPÖ oder in die Opposition, griff Schlögl nach der Macht in der Partei - und unterlag. Schwarz-Blau war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon paktiert.

Seitdem war die Gegnerschaft zu den Freiheitlichen wieder einzementiert. Was nicht daran hinderte, sich fallweise dieses Stocks zu bedienen, um die ÖVP zu schlagen, etwa 2008 bei der Abschaffung der Studiengebühren.

Straches Plan

Heinz-Christian Strache, der nach dem Absprung Haiders 2005 die FPÖ übernahm und zur "sozialen Heimatpartei" weiter entwickelte, hat das Buhlen um Wähler der SPÖ weiter intensiviert. Am Sonntag zog die FPÖ als Arbeiterpartei mit der SPÖ gleich.

Die SPÖ braucht also dringend eine Gegenstrategie. Theoretisch ginge dies auch in einer neuen großen Koalition - Stichwort "neues Regieren" -, wahrscheinlich nicht. Das nun einsetzende Nachdenken über Gemeinsamkeiten ist ein erster Schritt, das Verhältnis der SPÖ zur FPÖ neu auszutarieren. Strache hat darauf lange hingearbeitet; er hat der ÖVP nie verziehen, dass sie 2005 den Untergang der FPÖ billigend in Kauf genommen hat.

Heute kann sich der FPÖ-Chef berechtigte Hoffnungen machen, nicht länger nur Bauer im Schachspiel der beiden Großen zu sein, sondern selbst Rot und Schwarz zum eigenen Vorteil gegeneinander auszuspielen. So haben sich die Zeiten geändert.