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Tabakgesetz kostet Wirte doppelt

Von Sophia Freynschlag

Wirtschaft

Wiener Wirt fordert von der Republik Schadenersatz für getätigte Umbauten.


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Wien. Viele Gastronomen sind sauer: Sie haben ihr Lokal umgebaut, um dem seit 2009 geltenden Tabakgesetz zu entsprechen - und nun sind die Investitionen nutzlos. Denn der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat nach einer Beschwerde klargestellt, dass Nichtrauchern das Durchschreiten eines Raucherbereiches nicht zumutbar ist. Der Eingangsbereich oder der Weg zur Toilette darf nicht verraucht sein, wenn es zwei Bereiche im Lokal gibt. Im November 2008 hielt ein Beamter des Gesundheitsministeriums das Durchqueren jedoch für zumutbar, wie eine E-Mail an den Fachverband Gastronomie zeigt. "Die Gastronomen sind auf den Holzweg geführt worden", kritisiert Rechtsanwalt Wolfgang Zorn, der eine Amtshaftungsklage gegen die Republik vorbereitet hat.

In dieser Klage, die in den nächsten Tagen am Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebracht wird, fordert der Wiener Lokalbesitzer Heinz Pollischansky mit Unterstützung der Wirtschaftskammer (WKO) 30.000 bis 50.000 Euro Schadenersatz für den Umbau. In der Betriebsanlagengenehmigung von 2012 sei die Aufteilung mit Raucherzone beim Eingang erlaubt worden, sagte der Betreiber der "Stiegl-Ambulanz" am Montag vor Journalisten: "Ich verstehe nicht, warum diese Investitionen nun für null und nichtig erklärt werden." Klagen von anderen Wirten könnten folgen, heißt es von der WKO. Von den 50.000 Gastronomiebetrieben sind bis zu 12.000 betroffen, die um 96 Millionen Euro umgebaut haben, sagt Fachverbands-Obmann Helmut Hinterleitner. Diese müssten nun ein zweites Mal umbauen, um dem Gesetz zu entsprechen. Der WKO gehe es um Rechtssicherheit: "Können sich Staatsbürger auf Rechtsauskünfte von Behörden verlassen?" Zorn: "Man muss nicht akzeptieren, dass man von der Verwaltung in die Wüste geschickt wird."

"Falls Ihr Betrieb den neuen Vorgaben des Höchstgerichts nicht entspricht, wäre es zur Vermeidung drohender Anzeigen und Strafen ratsam, diese Bereiche momentan komplett rauchfrei zu machen", rät der Fachverband derzeit auf seiner Website den Gastronomen. Es drohen Strafen von 2000 bis zu 10.000 Euro im Wiederholungsfall. Die WKO will nun im Gesetz festschreiben lassen, dass das Durchqueren eines Raucherbereiches zumutbar ist.

Gesetzes-Kompromiss mit Ausnahmen

Im Gesundheitsministerium versteht man zwar den Ärger der Wirte, allerdings habe der Beamte im Herbst 2008 die damals gültige Rechtsmeinung vertreten. Durch die Klarstellung des VwGH sei eine neue gültige Rechtslage geschaffen worden. Gesundheitspolitisch sei diese Entscheidung gutzuheißen. "Eine Gesetzesreparatur ist nicht vorstellbar", sagt eine Sprecherin des Ministeriums. Denn der VwGH könnte die von der Kammer geforderte Änderung wieder aufheben. Die Amtshaftungsklage habe keine rechtliche Grundlage, denn der Beamte habe sich nicht rechtswidrig schuldhaft verhalten.

Was bleibt, ist ein Gesetz mit Ausnahmen, das Wirte nun teuer zu stehen kommen könnte. Dem vor fünf Jahren beschlossenen Kompromiss zur Tabakgesetz-Novelle unter der damaligen Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky ging ein langes Hickhack voraus. Während Gastronomievertreter gegen ein generelles Rauchverbot auftreten, spricht sich die Ärztekammer für mehr Nichtraucherschutz aus. (Noch-)Gesundheitsminister Alois Stöger setzt sich für generelles Rauchverbot ein, dieses hatte im Parlament allerdings bisher nicht genug Unterstützung.

Die österreichische Lösung sieht - im Gegensatz zu generellen Rauchverboten wie in Italien - vor, dass Wirte in Gaststätten bis 50 Quadratmeter wählen können, ob sie das Rauchen erlauben. Bei Lokalen zwischen 50 und 80 Quadratmeter muss die zuständige Behörde urteilen, ob eine räumliche Trennung möglich ist. In größeren Betrieben müssen Raucherzimmer eingerichtet werden, wenn der Wirt Rauchen überhaupt zulässt.

Schärfere Tabakregeln sind Thema im EU-Parlament

Auch auf EU-Ebene sorgt das Rauchen für Diskussionen: Die umstrittene EU-Tabakproduktrichtlinie ist heute, Dienstag, Thema im Europäischen Parlament, nachdem sie im September verschoben wurde. Uneinig ist man darüber, wie viel Prozent der Verpackungsoberfläche Warnhinweise und Schockbilder ausmachen sollen. Verboten werden dürften Menthol- und Vanille-Zigaretten. Unklar ist zudem, ob E-Zigaretten künftig in Trafiken oder Apotheken verkauft werden. Schärfere Regeln für Packungen und den Verkauf von Zigaretten sollen vor allem junge Menschen vom Rauchen abhalten. Die Trafikanten und die Tabakhersteller fürchten angesichts der drohenden Schockbilder um ihr Geschäft.