Die liberale Anwältin Zuzana Caputova ist für Abtreibung und für Homosexuellen-Rechte. Und sie hat die besten Chancen, am Samstag zur neuen slowakischen Präsidentin gewählt zu werden.
Bratislava/Wien. Die Slowaken wählen ihr neues Staatsoberhaupt und die Chancen stehen gut, dass erstmals in der noch jungen Geschichte des Landes eine Frau Präsidentin wird. Die liberale Rechtsanwältin Zuzana Caputova war den meisten Slowaken noch vor wenigen Monaten kein Begriff, mittlerweile gilt sie als klare Favoritin für das Votum am Samstag. Ihr Gegner in der Stichwahl ist der EU-Kommissar Maros Sefcovic, der von der linkspopulistischen Smer aufgestellt wurde und im ersten Wahlgang auf nur 18,7 Prozent der Stimmen kam. Caputova errang aus dem Stand über 40 Prozent. Es käme einer kompletten Überraschung gleich, sagen Politologen und Meinungsforscher, wenn Sefcovic doch noch das Rennen machen würde.
Es regiert der Überdruss
Dass Caputovas Anhänger, vom sicheren Sieg ihrer Favoritin überzeugt, einfach zu Hause bleiben und den bereits so gut wie sicheren Sieg verspielen, ist wenig wahrscheinlich. Die Wähler der 45-Jährigen gelten als diszipliniert, sie bescheinigen der Umwelt-Aktivistin Aufrichtigkeit, Authentizität und ein ruhiges Auftreten. Politisch war sie lange ein unbeschriebenes Blatt, vielleicht deshalb verkörpert sie für viele Slowaken die Hoffnung auf einen politischen Aufbruch. Seit 13 Jahren regiert Smer. Eine Koalition unter Beteiligung der Nationalisten und der Ungarnpartei konnte sich bis heute an der Macht halten, auch wenn zahlreiche Skandale das Land erschütterten. Nach dem Mord an dem Investigativ-Journalisten Jan Kuciak musste Premier Robert Fico zwar zurücktreten, ein grundlegender politischer Wandel ist aber ausgeblieben.
Sefcovic haftet der Geruch an, ein Vertreter des politischen Establishments zu sein, auch wenn der Karrierediplomat stets betont, nie Mitglied einer Partei gewesen zu sein. Im ersten Wahlgang konnte er bei Wählern der Smer, also jener Partei, die ihn aufgestellt hat, nicht umfassend punkten.
Bemerkenswert ist, dass 25 Prozent der Slowaken einen rechtspopulistischen oder rechtsextremen Kandidaten gewählt haben - Stimmen, die Sefcovic im zweiten Durchgang nur zu einem kleinen Teil bekommen wird. Der Erfolg des rechtsextremen Kandidaten Marian Kotleba, der auf über zehn Prozent der Stimmen kam, lässt jedenfalls die Alarmglocken für die Parlamentswahlen in einem Jahr schrillen.
Sefcovic hat sich nach seiner Niederlage zwar demonstrativ mit konservativen Vertretern der katholischen Kirche gezeigt. Diese stört in erster Linie, dass Caputova auch homosexuellen Paaren dss Recht auf Adoptionen einräumen will. Die Versuche Sefcovics, sich plötzlich als konservativer, gläubiger Christen zu stilisieren, kam bei vielen Wählern aber nicht gut an.
Misstrauen in Institutionen
Für die Opposition steht die Hoffnung im Raum, dass der prognostizierte Sieg Caputovas den endgültigen Anfang vom Ende der Smer-Ära darstellt. In der Tat ist das Misstrauen der Slowaken in die politischen Institutionen, vor allem aber in die Regierungskoalition, groß.
Sollte Caputova die Stichwahl tatsächlich gewinnen, wäre das auch ein Bruch mit politischen und gesellschaftlichen Traditionen. Sie wäre die erste Frau an der Spitze der Slowakei - eine Frau, die ihre beiden Töchter allein erzieht und sich für Homosexuelle und das Recht auf Abtreibung starkmacht. Dass so jemand jetzt offenbar Staatsoberhaupt wird, ist in der immer noch stark katholisch geprägten Slowakei eine kleine Sensation. Bemerkenswert ist auch, dass es in der Slowakei kein Repräsentant rechtspopulistischer, ausländerfeindlicher Bewegungen ist, der von der allgemeinen Unzufriedenheit am deutlichsten profitiert.