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Wirklich ärgerlich in der Politik sind gestanzte Sätze. Erstens nervt die ständige Wiederholung, zweitens die unschwer zu erkennende Taktik, damit Klartext zu vermeiden. Sebastian Kurz sagt derzeit gerne: ". . . wenn mich der Bundespräsident mit der Regierungsbildung beauftragt." Wen sonst? Der Abstand zur zweitplatzierten SPÖ beträgt derzeit 4,7 Prozentpunkte, ist also groß genug. Die SPÖ hat am Montag beschlossen, "keine Türen zuzuschlagen", und "auf Basis des Wertekompasses Gespräche mit den anderen Parteien zu führen". Eine Koalition mit anderen Parteien ist aber auszuschließen, dazu ist der Abstand zur ÖVP zu groß (siehe oben) - und jener zur FPÖ zu klein.
Wie gut, dass es Funktionäre und Unterstützer gibt, die aus ihrem Herzen keine taktische Mördergrube machen. Bei den Wahlpartys jubelten die ÖVP-Anhänger über das gute Abschneiden der FPÖ, im SPÖ-Zelt wurde die künftige Oppositionsrolle rasch akzeptiert. Der für eine ORF-Liveschaltung inszenierte Jubel von (Wiener) Sozialdemokraten wirkte denn auch deplatziert. Und der Satz von Kurz, er werde mit allen Parteien Gespräche führen, erschöpft sich in seiner formalen Richtigkeit.
Denn derselbe Kurz strebt eine alsbaldige Regierungsbildung an, das geht nur mit der FPÖ. Eine Dreier-Koalition mit den Neos, die der neuen Regierung eine Verfassungsmehrheit im Parlament bringen würde, geht nicht: Neos-Chef Matthias Strolz hat eine Koalition mit der FPÖ mehrmals ausgeschlossen.
Also wozu Zeit vergeuden? Der Satz gilt übrigens auch für den Bundespräsidenten. Dass er das endgültige Ergebnis am Donnerstag abwarten will, ist logisch. Erst dann ist sicher, dass die Grünen nicht im neuen Nationalrat vertreten sein werden. Dann sollte er Gas geben.
Am Freitag ist der 20. Oktober. Die inhaltliche (und gefühlte) Übereinstimmung zwischen ÖVP und FPÖ ist groß genug, um in wenigen Wochen ein Arbeitsprogramm zu zimmern. Und die SPÖ sollte besser selber sagen, was ihr ohnehin blüht: die Opposition.
Stattdessen werden die versprochene Veränderung (mit Verantwortung) und der "neue Stil" durch Politspielchen konterkariert. Deren Qualität entspricht einem Uraltverständnis von Politik. Schon am Tag nach der Wahl ist es daher denkbar, dass die Veränderungen gar nicht so toll werden wie im Wahlkampf versprochen.