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Tadschikistan steht erst am Beginn zaghafter Demokratisierungsschritte

Von Michael Schmölzer

Politik

Wien - Der Präsident der Republik Tadschikistan, Emomali Rachmonow, kommt auf Einladung von Bundespräsident Klestil für die Zeit vom 12. bis 16. April zu einem offiiziellen Arbeitsbesuch nach Österreich. Er ist das Staatsoberhaupt eines | ausgebluteten Landes, das abseits großer medialer Beachtung erst am Beginn zaghafter Demokratisierungsschritte steht.


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Das im Süden an Afghanistan, Pakistan und China grenzende Tadschikistan, in seiner Fläche etwa eineinhalb mal so groß wie Österreich, wird nach Jahren des Bürgerkriegs von einer darniederliegenden Wirtschaft, einer desolaten staatlichen Administration und einem landesweiten Verarmungsprozess gebeutelt. Der Großteil des Landes ist verkarstet und daher für die Landwirtschaft weitgehend unbrauchbar, unwegsame Gebirge sowie schlechte Infrastruktur erschweren eine auch noch so bescheidene industrielle Entwicklung, es mangelt an Rohstoffen und Kapital. Die Zahl der Beschäftigten ist ständig im Sinken begriffen und die Löhne werden nur unregelmäßig oder gar nicht ausbezahlt. Diese wenig ermutigenden wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren, die auch dem verwegensten westlichen Investor das Fürchten lehren, haben das Land mittlerweile zu einem Zentrum des internationalen Drogenhandels werden lassen.

Begonnen hat diese für sechs Millionen Tadschiken desaströse Entwicklung mit dem Zerfall der Sowjetunion: Wie so viele andere Teilrepubliken rief der Kleinstaat 1991 die nationale Unabhängigkeit aus. Die von den Sowjets ernannten Machthaber hielten aber weiterhin das Ruder fest in der Hand. Erst nach vier Monaten erbitterter Kämpfe gelang es einer oppositionellen Allianz aus Demokraten und gemäßigten Islamisten, die alte KP-Elite aus dem Sattel zu heben. Im Zuge dieses Bürgerkriegs kamen mehr als 50.000 Menschen ums Leben, fast eine halbe Million wurden ins benachbarte Afghanistan vertrieben. Im Verlauf der Unruhen hievte sich der heutige Präsident und Neokommunist Rachmonow mit seiner ,,Volksfront" an die Spitze des Staates.

Labiler Friede

Damit war aber keineswegs ein Ende der Kampfhandlungen erreicht. Notdürftig befriedet wurde das Land erst nach mehrjährigen komplizerten Verhandlungen durch einen Friedensvertrag, der im Sommer 1997 durch die Vermittlung von UN und OSZE zustande kam: Dabei saßen sich die Anführer beiden größten Konfliktparteien, Präsident Rachmanov und Said Abdullo Nuri, Kopf der muslimischen Gruppierungen der Vereinigten Tadschikischen Opposition (OTO) gegenüber. Das letztlich doch erzielte Abkommen garantierte der Opposition Amnestie, die Eingliederung ihrer bewaffneten Einheiten in die regulären tadschikischen Streitkräfte, sowie ein Drittel aller Ministerposten in der Übergangsregierung, die bis zu einer Neuwahl des Präsidenten im Amt bleiben sollte. Um die Einhaltung der Abmachungen zu garantieren wurde eine 26 köpfige, nach paritätischen Gesichtspunkten bestellte ,,Kommission zur nationalen Versöhnung" installiert.

Von einem wirklichen Friedensprozess kann man seither allerdings nicht sprechen: Zwar ernennt Rachmanov am 12. 2. 1998 tatsächlich drei Vertreter der Opposition zu Ministern und zwei weitere zu Vorsitzenden von Staatlichen Komitees, darunter Davlat Usmon, den früheren Stabschef der bewaffneten Opposition zum Wirtschaftsminister, im wesentlichen legte er seinen autoritären Führungsstil jedoch nicht ab. Daraufhin kommt es am 24. 3. 1998 nahe der Hauptstadt Duschanbe erneut zu schweren Gefechten zwischen Einheiten der muslimischen Opposition regierungstreuen Milizen. Unter den Opfern befinden sich wiederum zahlreiche Zivilisten.

Dass die Präsidentenwahlen vom 7. November 1999 Rachmonow in seinem Amt bestätigen würden, stand für alle internationalen Beobachter schon vorher fest. Die Klage der Vereinigten Opposition wegen massiver Behinderung ihres Wahlkampfes, unter anderem wurde die Unterschriftensammlung für ihren Kandidaten Davlat Usmon behindert, wurde vom Obersten Gericht abgewiesen. Daraufhin zog Usmon seine Kandidatur zurück und die Oppositionsparteien boykottierten die Wahl.

Die Rolle Moskaus

Dass sich Rachmonow nur mit der Hilfe Russlands an der Macht hält, ist unbestritten: Denn Tadschikistan ist Russlands einziger loyaler Verbündeter in der gesamten Region. So hat Moskau eine 25.000 Mann starke Friedenstruppe an der tadschikisch-afghanischen Grenze stationiert. Als das benachbarte Usbekistan im Frühjahr 1999 aus dem GUS-Vertrag zur kollektiven Sicherheit ausstieg, unterzeichneten beide Staaten ein militärisches Abkommen, mit dem Moskau seine Truppenpräsenz weiter verstärkt und zwei Basen errichtet. Denn der Einfluss des Kreml in Tadschikistan steht und fällt zu 100 Prozent mit Rachmonow. Auch hat Russland am 9. April dieses Jahres im Zuge einer regionalen Sicherheitskonferenz mit militärischen Schlägen gegen die von Afghanistan aus operierenden muslimischen Rebellen gedroht.

Konflikt der Regionen

Im Gegensatz zu anderen kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion lassen sich die Konflikte in Tadschikistan mit ihren Tausenden Todesopfern und Hunderttausenden von Flüchtlingen nicht vor allem auf einen ethnischen Konflikt reduzieren, wenn auch Elemente ethnischer Differenzen bestehen. Ebensowenig handelt es sich um einen rein religiösen Konflikt, auch wenn sich manche der beteiligten Gruppen als religiöse Bewegungen definieren.

Vielmehr sind regionale Differenzen und Zugehörigkeitsgefühle die Ursache für den jahrelangen Konflikt:

Die Region Chodschent im Norden des Landes hat enge infrastrukturelle Verbindungen mit dem Nachbarland Usbekistan und ist im Vergleich zu anderen Gebieten Tadschikistans relativ industrialisiert und entwickelt. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung ist usbekisch, aber auch viele Tadschiken dieser Region fühlen sich mit Usbekistan verbunden. Die Chodschenter Elite war traditionell dominierende Kraft in Tadschikistan - sie stellte alle KP-Parteichefs bis 1992. Eng verbunden war dieser Clan mit Vertretern aus dem Gebiet Kuljab im Süden des Landes, die vor allem Sicherheitskräfte, Miliz und Streitkräfte dominierten.

Doch mit der Ausrufung der nationalen Unabhängigkeit gerieten die bestehenden Verhältnisse ins Wanken: Zum einen rebellierten Kräfte aus anderen Regionen des Landes - doch auch die Machtbalance zwischen Chodschent und Kuljab verschob sich zugunsten letzterer: Mit Präsident Rachmonow steht erstmals ein Kuljabi an der Spitze des Staates.

Die Hochburgen der oppositionellen Kräfte im Bürgerkrieg waren das Gebiet Kurgan-Tjube, Garm und das autonom verwaltete Gebiet Berg-Badachschan.

Der Bürgerkrieg begann in Kurgan-Tjube, wo in den fünfziger Jahren umgesiedelte Kuljabis sämtliche Führungspositionen in Beschlag genommen hatten. Viele ebenfalls unter Stalin umgesiedelte Garmer in Kurgan-Tjube, die wirtschaftlich erfolgreich, aber politisch einflusslos waren, schlossen sich der oppositionellen ,,Partei der islamischen Wiedergeburt" an. Die regionalen Gegensätze eskalierten schließlich l992 in gewaltsame Auseinandersetzungen, die sich immer mehr direkt gegen die altkommunistische Führung in Duschanbe richtete.

Von Seiten der Regierung wurden die Bezirke Kurgan-Tjube und Kuljab deswegen zu einer neuen Verwaltungseinheit zusammengeschlossen. Zum Zentrum der Opposition und zum Schauplatz zahlloser Kämpfe entwickelte sich daraufhin das östlich der Hauptstadt gelegene Garm. Im von Pamirvölkern bewohnten Gebiet Berg-Badachastan, das wegen seiner Unzugänglichkeit von den oppositionellen Kämpfern oft als Versteck gewählt wurde, entstand im Laufe der Auseinandersetzungen eine immer stärker werdende Nationalbewegung, die sich mit anderen Bewegungen zusammenschloss: Berg-Badachschan ist jahrzehntelang von der Regierung vernachlässigt worden und entwicklete sich zur ärmsten Region in der seit jeher ärmsten Republik der Sowjetunion.

Es handelt sich bei diesem Konflikt also nicht um klar umgrenzbare Konfliktparteien, wie der Gegensatz zwischen grundsätzlich Regierungstreuen Kuljabis und Chodschenter auf der einen Seite, und der oppositionellen Allianz auf der anderen Seite suggerieren könnte: In Wirklichkeit wird die Region von einer Vielfalt an regionalen Interessen, Bündnissen und Feindschaften destabilisiert.

"Warlords"

Auch nach der offiziellen Beendigung des Bürgerkriegs durch das Friedensabkommen vom 27. Juni 1997 verhindern die Aktionen zahlreicher lokaler Kommandanten und Bandenchefs, dass das Land zur Ruhe kommt. Die einstigen Feldkommandanten des Bürgerkriegs, die die Entwaffnung verweigerten und mittlerweile zahlreiche Anhängern um sich scharen konnten, agieren zunehmend auf eigene Faust. Die Ermordung von vier UN-Mitarbeitern am 20. Juli 1998 soll auf ihr Konto gehen, wie auch die Bombenattentate und Geiselnahmen 1997 in der Hauptstadt Duschanbe.

Programm:

Mittwoch, 12. April 2000

15.25 Uhr: Ankunft auf dem Flughafen Wien-Schwechat

Donnerstag, 13. April 2000

11.45 Uhr: Begrüßung durch Bundespräsident Thomas Klestil im Inneren Burghof

12 Uhr: Gespräch mit dem Bundespräsidenten in der Präsidentschaftskanzlei

12.45 Uhr: Gemeinsamer Pressetermin in der Präsidentschaftskanzlei

13.00 Uhr: Arbeitsmittagessen mit dem Bundespräsidenten

15.30 Uhr: Gespräch mit Nationalratspräsident Heinz Fischer im Parlament

Freitag, 14. April 2000

9.30 Uhr: Gespräch mit Wirtschaftskammer-Präsidenten Leopold Maderthaner in der WKÖ

10.00 Uhr: Treffen mit österreichischen Wirtschaftsvertretern

11.30 Uhr: Rede im Rahmen der UNO-Verbrechensverhütungskonferenz im Austria Center Vienna

Sonntag, 16. April 2000

8 Uhr: Abflug vom Flughafen Wien-Schwechat