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Tafelspitz lockt Inder nicht nach Österreich

Von Christine Zeiner

Wirtschaft

Immer mehr Inder reisen nach Europa. | Touristen haben Geld für Luxus. | Neu Delhi/Wien. Indische Touristen haben ein Problem. Mit heimischen Spezialitäten wie Tafelspitz, Schulterscherzl oder Mageres Meisl können sie wenig anfangen. Die Kuh gilt in Indien als heiliges Tier. Auch Wiener Schnitzel und Schweinsbraten werden von den sich meist vegetarisch ernährenden Indern wenig geschätzt. "Ich fürchte, gebackene Champignons sind ein bisschen zu wenig an Wertschätzung für den indischen Gast", sagt Arthur Oberascher, Chef der Österreich Werbung (ÖW).


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Ja, Essen in Österreich sei ein Riesenproblem, sagt Laxmann Jhala. Oft komme deshalb ein Koch mit auf Reisen, der die Touristen mit fleischlosem Essen versorge, sagt der Reiseleiter, der in Neu Delhi lebt. Jhala begleitet indische Gruppen auf ihren Rundreisen in Europa. Knapp 20 Städte in zehn Ländern werden in drei Wochen besucht. Von Venedig geht es nach Innsbruck, anschließend kommen Salzburg und Wien an die Reihe.

Die Reisenden können sich den Mehraufwand für einen mitfahrenden Koch leisten. Sie gehören der gehobenen Mittelschicht an und sind meist zwischen 45 und 65 Jahre alt. "Sie besitzen eine Wohnung, ein Auto, schicken ihre Kinder in Privatschulen, gehen zwei Mal im Monat schön essen und haben Geld für zwei Reisen pro Jahr", sagt Jhala.

Indische Touristen würden "überdurchschnittlich" viel Geld für ihre Hotelunterkunft ausgeben - fast drei Viertel nächtigen in der Luxuskategorie - und gern einkaufen, heißt es von der Österreich Werbung. Mehr als 60.600 Mal nächtigten Inder im vorletzten Jahr in Österreich. Laut Österreich Werbung gilt Indien nach China als zweitgrößter Hoffnungsmarkt für den heimischen Tourismus.

Reisen statt Sparen

"Früher wurde gespart, meist für die Hochzeit der Töchter. Jetzt wollen die Menschen reisen", sagt Jhala. Seit 1991 habe sich vieles "schlagartig" geändert. 1991 war das Jahr, in dem die damalige indische Regierung mit Strukturanpassungsprogrammen begann. Dafür gab es von Weltbank und Internationalem Währungsfonds Finanzmittel, um den nahenden Staatsbankrott abzuwenden. "Die Wirtschaft wurde offener", sagt Jhala. Das wirke sich auf die Einkommen der Mittelschicht aus. Für viele ist Reisen allerdings nach wie vor ungewöhnlich: "Urlaub machen ist untypisch", sagt eine Studentin der Nehru-Universität in Neu Delhi. "Es gibt so viele Feste, Hochzeiten, die das Alltagsleben ohnehin unterbrechen - und die viel kosten", pflichtet ihr ein Kollege bei.

Fremdes durch Fenster

Wer sein Alltagsleben dennoch mit Reisen unterbricht, macht das laut Österreich Werbung oft so: "Aus dem Bus einen Blick auf das Straßenbild, die Menschen und die Architektur zu werfen entspricht ihrem Wunsch, das Fremde zu entdecken." Das könnte ebenso für viele österreichische Touristen in Indien gelten, die in klimatisierten Bussen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit geführt werden. Das Fremde, das hier durch Fensterscheiben entdeckt wird, sind die vielen Farben der Saris, die die Inderinnen tragen, Fahrrad-Rikschas, deren Lenker den vielen Mopeds, Autos, Kühen, Kamelen und Pferdewagen ausweichen, Zeltplanen, die als Wohnungen fungieren, Frauen und Männer, die Gemüse am Straßenrand verkaufen. Daran, dass manche Touristen oft lautstark ihre Verwunderung darüber äußern, habe er sich mittlerweile gewöhnt, sagt Jhala, der Reisegruppen auch durch Indien führt. Die meisten Touristen würden aus Frankreich und Deutschland kommen. Heuer seien besonders viele Italiener in seinem Land unterwegs.

Tourismus bringe Geld, Tourismus sei wichtig für die Wirtschaft, sagt Jhala. "Tourismus bringt aber auch einen Kulturaustausch. Die Menschen erweitern ihren Horizont." Immer wieder erlebe er, wie erstaunt Inder über unbedeckte Schultern, kurze Röcke und einander küssende Pärchen seien. Europäer wiederum würden sich schwer tun, abseits der großen Hotels anstelle mit Messer und Gabel mit der bloßen rechten Hand zu essen. Vom Kulturaustausch weiß auch ÖW-Chef Oberascher zu berichten: "Bei einem unserer indischen Partner häufen sich die Beschwerden, dass bei uns die Züge immer so pünktlich fahren."