Führerschein hergezeigt, Kreuzerl gemacht, Zettel in die Urne geworfen - für den Wähler ein simpler Vorgang. Die Abwicklung einer Nationalratswahl ist jedoch ein logistisches Großprojekt. Geschätzte 4,5 bis 5 Millionen Stimmzettel werden am 24. November ausgezählt, österreichweit sind rund 100.000 Wahlhelfer in Einsatz. Schaltzentrale der Wahl und Informa-tionsknotenpunkt ist die Abteilung V/6 des Innenministeriums.
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"Die Hektik reißt nicht ab, bis alle 183 Abgeordneten im Parlament sitzen." Robert Stein hat einen besonderen Zugang zur Demokratie. Für den Juristen in Abteilung V/6 des Innenministeriums bedeuten Wahlen, Volksbegehren, -abstimmungen und -befragungen vor allem eines: Arbeit.
Nach vier Volksbegehren innerhalb nur eines Jahres (Temelin, Studiengebühren, Sozialstaat und im Sommer das Anti-Abfangjäger-Volksbegehren) organisiert Stein jetzt zusammen mit seinen sieben Kollegen die kommenden Nationalratswahlen. Seit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am 9. September, 15 Uhr, die schwarz-blaue Koalition für beendet erklärte, geht es in den Amtsräumen der Wahlabteilung in der Wiener Herrengasse rund: Feinabstimmung des EDV-Wahlsystems, Gestaltung und Versand der Drucksorten, Grunddatenerfassung. Einige geografische Daten haben sich seit der letzten Wahl geändert. So wurden etwa die Gemeinden Blumau und Wingau zu Bad Blumau bzw. Bad Wingau geadelt. Auf Basis der Wählerevidenzen werden in den Gemeinden die Wählerverzeichnisse erstellt, Wahlvorschläge und Kandidatenlisten der Parteien entgegen genommen.
"Gottseidank sind wir hier sehr eingespielt," freut sich Stein, der hier seit 1990 werkt. Im Amt läutet andauernd das Telefon. Mehrmals muss der stv. Abteilungsleiter das Gespräch unterbrechen, um Rechtsauskünfte zu erteilen. Die Nationalratswahlordnung (NRWO) ist nämlich nicht für jedermann durchschaubar. Stein, der sich - wie er sagt - schon seit der Matura für das Wahlrecht interessiert, sieht es positiv: "Durch die umfangreichen und detaillierten Bestimmungen, gibt es kaum Ermessenspielräume. Das stellt Qualität und Objektivität des Wahlverfahrens sicher."
Geheim, frei, unmittelbar, persönlich und allgemein soll das Wahlrecht sein. So will es die österreichische Verfassung. Und die Wahlabteilung sorgt schon im Vorfeld dafür, dass die Spielregeln eingehalten werden. "Einmal waren wir der festen Überzeugung, wir hätten eine Doppelkandidatur nach §48 NRWO aufgedeckt", berichtet der Wahlexperte. Eine Kandidatin, selbe Partei, selber Name, selbes Geburtsdatum, war auf den Wahlvorschlägen zweier Länder angeführt. Nachforschungen ergaben, dass es sich um zwei verschiedene Personen handelte.
Die endgültige Zahl der aktiv Wahlberechtigten steht erst eine Woche vor der Wahl nach Abschluss der Wählerverzeichnisse in den Gemeinden fest. So viel ist aber jetzt schon klar: Ungefähr 5,9 Millionen Österreicher, rund 66.000 mehr als im Oktober 1999 - werden aufgerufen sein, ihre Repräsentanten in der gesetzgebenden Körperschaft zu bestimmen.
Logistisches Großprojekt
Österreich wird in neun Landeswahlkreise, diese in 43 Regionalwahlkreise eingeteilt. Für jeden Wahlkreis wird eine eigene Wahlbehörde konstituiert, außerdem eine Bundeswahlbehörde geschaffen. In den Wahlbehörden sitzt jeweils als Vorsitzender ein Vertreter der jeweiligen Gebietskörperschaft sowie Vertreter der politischen Parteien. Der Bundeswahlbehörde, mit dem Innenminister als Vorsitzendem, müssen auch zwei Richter angehören. Bundesweit dürften am Wahltag mindestens 100.000 Personen in 13.000 Wahlsprengeln mitarbeiten.
Allein in Wien sind 8.000 bis 9.000 Magistrats-Bedienstete im Einsatz, schätzt Otto Gmoser von der Wahlabteilung der MA 62. Dazu kommen für jeden einzelnen der knapp 2.000 Wiener Wahlsprengel (Wahllokale plus mobile Wahltrupps) vier bis acht Leute, die von den politischen Parteien gestellt werden und als Wahlzeugen oder -beisitzer fungieren. Die exakte Zahl der Helfer "hängt auch ein bisschen davon ab, wie die Parteien aufgelegt sind", räumt Moser ein, in der Vergangenheit habe es da schon Probleme gegeben.
Spannung am Wahltag
Hochspannung verspricht der Wahlabend allemal. Laut Meinungsumfragen dürfte es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ÖVP und SPÖ kommen. Die Beamten der Wahlabteilung werden die ersten sein, die das genaue Endergebnis kennen. Nach Auszählung der Stimmen durch die örtliche Wahlbehörde, ergeht an die jeweils übergeordnete Wahlbehörde eine Sofortmeldung. In der Herrengasse tröpfeln die Meldungen aus den Landeswahlbehörden dann bereits kurze Zeit nach dem Schließen des jeweiligen Wahllokals via Computer-Netzwerk ein. Auf diese Weise gebe es "ganz, ganz schnell ein vorläufiges Gesamtergebnis", erläutert Stein. Und auch wenn dieser Erstbefund rechtlich bedeutungslos ist, sei er doch zumeist mit dem offiziellen Endergebnis identisch.
Für die Beamten der Wahlabteilung endet die Arbeit nicht am 24. November. Und auch die Parteien müssen noch eine zeitlang weiter zittern, bis klar ist, welche 183 Personen ins Hohe Haus einziehen: "Durch die Wahlkarten kann sich einiges am Endergebnis ändern", erklärt Stein: "Bei der letzten Wahl etwa lag die ÖVP knapp hinter der FPÖ. Da gab es seitens der Volkspartei berechtigte Hoffnung, die FPÖ noch zu überholen. Am Schluss blieb sie 414 Stimmen dahinter." Eine Woche nach dem Wahltag steht das Endergebnis, vorbehaltlich allfälliger Wahlanfechtungen, endgültig fest. Für Innenpolitik und Abteilung V/6 wird es dann wieder ruhiger - zumindest bis die nächste Volksentscheidung ansteht.
Mehr Info zu den Wahlen im Internet:
http://www.wienerzeitung.at/linkmap/politik/nr2002wa/
http://www.wien.gv.at/wahlinfo/nr2002
http://www.bmi.gv.at/wahlen
Demokratie in Österreich
Demokratie, die "Herrschaft des Volkes", bestand in Österreich - so bezeugen es die Weistümer - zunächst in kleinen Gemeinschaften seit dem Mittelalter. Schwieriger war ihre Handhabung in regionaler Form, wo sie als repräsentative Demokratie - Personen werden in die Entscheidungsgremien gewählt - erfolgen musste. Solche waren auch die Vertreter der bäuerlichen Gerichte und der Täler in den Landtagen von Tirol und Vorarlberg, die Räte und Bürgermeister der Städte in Mitteralter und früher Neuzeit. In den Städten hatten auch die Zechen (Genossenschaften) eine demokratische Organisationsform.
Auf Landes- und Staatsebene wurden die demokratischen Bestrebungen seit dem 17. Jh. durch den aufkommenden Absolutismus zurückgedrängt und schließlich ausgeschaltet. Gesetz und allein maßgeblich war der Wille des Herrschers. Erst das Revolutionsjahr 1848 brachte eine demokratisch geprägte Verfassung.
Am 22. Juli 1848 wurde durch Erzherzog Johann der Reichstag in Wien, das "Parlament" der Habsburgermonarchie eröffnet. Es war die Stunde des Hans Kudlich, der in den Reichstag gewählt wurde, wo er später die Aufhebung der Grundherrschaft über die Bauern initiieren sollte. Die "Wiener Zeitung" vom 30. Juni 1848 berichtet: ".der zum Empfang zum constituierenden Reichstage aufgestellten Commission haben sich . angemeldet": Aus der Provinz Mähren und Schlesien ein gewisser "Joseph Kutschera, Gastwirth" und "Johann Kudlich, Doctorand der Rechte". Am 31. Oktober 1848 wurde die Revolution blutig niedergeschlagen.
Der Reichstag von 1848/49 war ein Instrument der repräsentativen Demokratie - doch trat sein Verfassungsentwurf nicht in Kraft. Trotz der Revolution waren die unteren Klassen vom Wahlrecht bei den 1850 gebildeten Ortsgemeinden und von den seit 1861 arbeitenden Landtagen ausgeschlossen. Auch die Parlamente der Monarchie, deren Abgeordnete ab 1873 direkt nach dem Mehrheitsprinzip gewählt wurden, waren nur von einem (kleinen) Teil der Bevölkerung getragen. Wahlberechtigt waren zumeist nur begüterte Männer. Selbst das allgemeine Wahlrecht von 1907 war auf Männer beschränkt. Ein wesentlicher Faktor der Demokratisierung war aber seit 1867 die - mit empfindlichen Einschränkungen gegebene - Versammlungs- und Vereinsfreiheit, die die Möglichkeit einräumten, Vereine, Parteien und Interessenvertretungen zu bilden.
Die Republik Österreich wurde 1918 auf der Basis der Volkssouveränität als demokratischer Staat gegründet. Die Bundesverfassung von 1920 sah Parteien, Kammern und verschiedene Organe zur Verwirklichung des demokratischen Lebens vor. Die Volksherrschaft wurde durch Wahlen in Parlament, Landtagen und Gemeinderäten nach dem Verhältniswahlrecht verwirklicht. Ab den späten 20er Jahren kam es zur Verstärkung der antidemokratischen Kräfte, es vollzog sich der Umbau zum "Stände-Staat". Nach der "Selbstausschaltung" des Parlaments im März 1933 ging es mit der Demokratie schrittweise bergab. Tiefpunkt war zunächst die Maiverfassung 1934. Mit dem Nationalsozialismus war die Ausschaltung aller demokratischen Rechte vollzogen.
1945 wurde die Republik Österreich wieder auf der Grundlage der repräsentativen Demokratie errichtet. Gemäß Artikel 1 B-VG ist Österreich eine demokratische Republik, "ihr Recht geht vom Volk aus". Bei den Nationalrats- und Landtagswahlen vom 25. 11. 1945 wurden erstmals wieder Volksvertreter gewählt. Neben den gewählten Organen kommen seit den 60er Jahren Elemente der direkten Demokratie (Volksabstimmung, Volksbegehren und Volksbefragung) verstärkt zur Geltung.