Deutsche Regierung tritt zu Klausur zusammen. | Gegenkandidat für Präsidentenwahl. | Berlin. Angela Merkel hat es zurzeit nicht leicht: Tritt Hessens Ministerpräsident Roland Koch zurück, dann hat die deutsche Kanzlerin im Zweifel einen möglichen Konkurrenten weggebissen. Tritt Bundespräsident Horst Köhler zurück, dann war es eben eine Fehlentscheidung, ihn vor sechs Jahren ins höchste Staatsamt gehievt zu haben. Und präsentiert Merkel innerhalb von drei Tagen mit Christian Wulff einen vorzeigbaren Nachfolgekandidaten, dann ist sie halt mit ihrer angeblichen Favoritin Ursula von der Leyen gescheitert.
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Die von ihr geführte Dreier-Koalition ist von Beginn an tief zerstritten. Das spiegelt sich in dramatisch sinkenden Umfragewerten wider. Die als Befreiungsschlag geplante Regierungsklausur am Sonntag und Montag steht vor einem Berg von inneren Kontroversen und dem eisernen Zwang, zehn Milliarden Euro allein im kommenden Jahr einzusparen.
Auch die zunächst als Erfolg zu erwartende Präsidentenwahl am 30. Juni - die Regierungsfraktionen haben in der Bundesversammlung eine Mehrheit - ist wieder spannend geworden, seit SPD und Grüne Joachim Gauck zum Gegenkandidaten aufgestellt haben. Denn Gauck wäre durchaus auch für Bürgerliche wählbar. Der 70-jährige Pfarrer hatte 1989 die DDR-Bürgerrechtsbewegung Neues Forum mitbegründet. Danach leitete er zehn Jahre lang die Stasi-Unterlagen-Behörde. SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigt sich optimistisch: "Gauck bringt ein Leben mit in seine Kandidatur, Wulff hingegen nur eine politische Laufbahn."
Würde Gauck tatsächlich gewinnen, stünden erstmals zwei Ostdeutsche an der Staatsspitze. Dafür bräuchte er massive Unterstützung aus dem christlich-liberalen Lager, denn auf Stimmen der Linkspartei kann er keinesfalls hoffen. Die will sich noch entscheiden, ob sie einen eigenen Kandidaten aufstellt.
Die weitaus realistischere Variante bleibt Christian Wulff, mit 50 Jahren der jüngste Kandidat seit Bestehen der Bundesrepublik. Im Fall seiner Wahl wäre er nach Lübke der zweite Katholik in diesem Amt. Lange Zeit wurde er als Konkurrent und potenzieller Nachfolger von Angela Merkel gehandelt. Diese Gerüchte beruhten auf seiner angeblichen Mitgliedschaft in dem ominösen "Pacto Andino Segundo", einem geheimen Männerbund innerhalb der CDU, dem auch Roland Koch, Friedbert Pflüger oder Günther Oettinger angehören sollen. Doch Wulff, einer der vier Stellvertreter der CDU-Vorsitzenden, hat sich seiner Chefin gegenüber stets als loyal erwiesen.
Nachfolger für Wulff
In Niedersachsen steht Wulff einer christlich-liberalen Landesregierung vor, und für seinen Nachfolger hat er rechtzeitig gesorgt: David James McAllister, 39-jähriger Sohn eines deutsch-schottischen Ehepaares und seit sieben Jahren Fraktionsvorsitzender der CDU im niedersächsischen Landtag, steht bereits in den Startlöchern.