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Talente zum Blühen bringen

Von Stefan Beig

Politik

Pilotprojekte zeigen erste Erfolge. | Unterforderung führt zu Problemen. | Wien. Hochbegabte Kinder mit schlechten Noten sind keine Seltenheit. "Ein unterfordertes Kind wird im Unterricht unaufmerksam", erzählt Christiane Wendelberger, Leiterin des Kompetenzzentrums für Begabtenförderung im Wiener Stadtschulrat. "Daheim kann es schon problemlos rechnen, aber in der Schule macht es lauter Fehler, weil der Unterricht zu einfach ist".


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Gabriela Malin, Direktorin der Volksschule "Neulandschule" im zehnten Bezirk, kennt talentierte Schüler, die sogar unter psychischen Problemen leiden. "Hochbegabte sind oft Leistungsverweigerer. Der geringe schulische Erfolg bewirkt Selbstzweifel und ein geringes Selbstwertgefühl."

Lehrerfortbildung nach Modell aus Nijmegen

Weil Unterforderung zu denselben Symptomen führt wie Überforderung, wird Hochbegabung oft nicht erkannt. Damit Lehrer Talente besser erkennen und fördern, entwickelte das Zentrum für Begabungsforschung der niederländischen Universität Nijmegen gemeinsam mit dem European Council of High Ability (Echa) einen Fortbildungskurs. Auch in Österreich wird der Echa-Diplomlehrgang bereits angeboten. Gabriela Malin, die ihn vor rund zehn Jahren absolvierte, schuf einen vergleichbaren Fortbildungslehrgang am Pädagogischen Institut der Stadt Wien. Die Seminare finden geblockt am Wochenende statt. Die Weiterbildung der Lehrer fällt nicht mit dem Unterricht zusammen.

Klassenüberspringen und Zusatzangebote

Was wird für begabte Kinder getan? Das Schulunterrichtsgesetz erlaubt das Überspringen von Schulstufen. In der ersten Klasse Volksschule kann der Wechsel während des Schuljahres stattfinden, danach erst am Schuljahresende. Die Entscheidung fällt immer die Schulkonferenz. Insgesamt drei Mal können Hochbegabte die Klasse überspringen, und zwar je einmal in der Volksschule, in der Unter- und in der Oberstufe. Ab 1. September kann ein Schüler auch von der 3. Klasse Volksschule in die 1. Klasse Gymnasium wechseln. Ebenso sind Zusatzangebote für begabte Schüler vorgesehen. Wer in einem Fach überdurchschnittlich erfolgreich ist, bekommt spezielle Aufgaben, die über den regulären Lehrplan hinausgehen.

Die Schulen können autonom entscheiden, wo sie ihre Schwerpunkte setzen. "Die Palette der Schulmodelle in Wien ist sehr bunt", freut sich Wendelberger. Die private Neulandschule im zehnten Bezirk ist eine Pilotschule für Begabtenförderung. In der Schuleingangsphase erstellen Kinderbeobachter ein Begabungsprofil. In jeder Schulstufe gibt es eine Integrationsklasse für besonders Begabte. "Das Überspringen von Klassen kommt nur selten vor", berichtet die Direktorin Gabriela Malin.

"Sehr erfolgreich ist hingegen das Drehtürmodell', das einem Schüler ermöglicht, nur in einem Fach eine höhere Klasse zu besuchen. Schwierigkeiten, wie die Integration in eine neue Klassengemeinschaft, treten hier nicht auf." Umfassende Elternarbeit und individuelle Betreuung der Kinder hält Malin für besonders wichtig. Die entscheidende Frage sei immer: "Wo passt das Kind hin?"

Die Volksschule Rothenburgstraße 1 ist eine weitere Pilotschule für Begabtenförderung. "Alle unsere Schüler bringen gute Voraussetzungen mit", erzählt die Direktorin, Gabriele Edlinger. "Unser Angebot hat sich in den letzten fünf Jahren herum gesprochen. Es kommen Kinder aus ganz Wien. Wir haben sogar einen Schüler aus Traiskirchen." Dank das allgemein guten Niveaus verursacht die Begabtenförderung keine Zusatzkosten. Geboten wird Förderunterricht für logisches Denken und kreatives Schreiben. "Die Kinder werden für den Zusatzunterricht klassenübergreifend in Kleingruppen hinausgenommen. Sie lernen keinen zusätzlichen Stoff, sondern werden in ihren Fähigkeiten geschult. Zwischen den unterschiedlich geförderten Kindern entstehen keine Spannungen."

Plattform für die einschlägigen Projekte

Um der Begabtenförderung neue Impulse zu geben wurde 1999 das Österreichische Zentrum für Begabtenförderung und Begabungsförderung (ÖZBF) gegründet. Träger des Vereins ist großteils das Bildungsministerium. Um verschiedene Initiativen miteinander zu vernetzen schuf das ÖZBF eine Plattform. Zu den wenigen Schulen, die bisher mitmachen, zählt die Josef-Rucker-Volksschule in Langenlois in Niederösterreich. Die Lehrerin Eva Haslinger ist für die Begabtenförderung zuständig: "Es gibt zweitägige Projekttage für alle Schüler, Zusatzangebot für besonders Begabte und spezielle Mathematikförderung". Begutachter hält Haslinger nicht für notwendig: "Bei uns sind die Lehrer schon sensibel auf das Thema eingestellt. Sie wissen, worauf es ankommt."