)
Islamabad hatte jahrelang die Anwesenheit von Taliban-Führern bestritten. | Rätselraten über künftige pakistanische Strategie. | Neu Delhi. Jahrelang hatte Pakistan die Existenz der wichtigsten afghanischen Taliban-Führern auf seinem Territorium vehement bestritten. Doch dann griff der pakistanische Geheimdienst in dieser Woche gleich drei Taliban-Kommandeure auf - allesamt auf pakistanischem Boden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wichtigste Figur ist Taliban-Mitbegründer und "Kopf der Quetta-Shura", Mullah Abdul Ghani Baradar - die Nummer zwei nach Taliban-Chef Mullah Omar.
Ein "großen Ereignis", freute sich der US-Sondergesandte Richard Holbrooke in Islamabad. Die Zusammenarbeit zwischen Pakistan und den USA werde immer effektiver, lobte der Diplomat und stellte die Freigabe von 349 Millionen US-Dollar aus dem Unterstützungsfonds für Pakistan in den kommenden Tagen in Aussicht.
Doch die Verhaftung ist mehr als ein gut bezahlter Liebesdienst Pakistans an Washington: Denn Pakistan deckt den Verhandlungstisch zwischen den USA und den Taliban ein. Die islamische Republik möchte ein gehöriges Wort mitreden, wenn es um die politische Zukunft Afghanistans geht. Als direkter Nachbar sieht es Afghanistan als seine Einflusszone an. Auf keinen Fall will Pakistan zulassen, dass sein Erzrivale Indien in Afghanistan viel mitspielen darf.
Neues Machtgefüge in Kabul mit Taliban
Die USA wollen ihr kostspieliges Militärabenteuer am Hindukusch nach über acht Jahren beenden und ihre Soldaten mit halbwegs erhobenem Haupt heim holen. Weil niemand mehr davon ausgeht, dass die Taliban noch besiegt werden können, sollen sie nun zuerst militärisch geschwächt werden. Danach will man aus einer Position der Stärke heraus mit den Aufständischen Friedensgespräche führen, um in Kabul ein neues politisches Machtgefüge mit den Taliban zu etablieren.
Weil die Taliban-Führungsriege um ihren Chef Mullah Omar im pakistanischen Quetta sitzt, hat Pakistan ein Reihe von Möglichkeiten, die Gespräche mit den Aufständischen in Afghanistan nach seinem Geschmack zu "moderieren". Davon scheint Pakistan nun Gebrauch zu machen. Denn die Taliban sind ein wichtiges Pfand Islamabads am Verhandlungstisch. Die traditionell gute Verbindung zu den afghanischen Aufständischen verschafft Pakistan politischen Einfluss am Hindukusch, auch dann, wenn die Nato längst abgezogen ist.
Der pakistanische Journalist und Taliban-Experte Ahmed Rashid vermutet, dass Pakistan mit der Festnahme von Mullah Abdul Ghani Baradar, dem Top-Kommandeur der Taliban, den Amerikanern klar machen wolle, dass alle Verhandlungen zwischen den USA und den Taliban über Islamabad laufen müssen. Rashid sagte "Radio Free Europe/Radio Afghanistan", Baradar habe zuvor bereits Verhandlungen mit einem Bruder von Afghanistans Präsident Hamid Karzai geführt. Offenbar habe sich Pakistan dazwischen schalten wollen und Baradar erst einmal aus dem Verkehr gezogen.
Baradar gehört aus einziger aus der Taliban-Führungsriege dem Popalzai-Stamm an. Und auch Afghanistans Präsident Karzai ist Popalzai. Baradar soll Karzai Ende 2001 aus der Bredouille geholfen haben, als jener in Baradars Heimat Uruzgan von Taliban-Kämpfern bedroht wurde.
Gespräche Karzais mit Taliban-Führer?
Weil Karzai und Baradar sich persönlich verbunden sind, gibt es Berichte, dass beide schon seit längerem miteinander sprechen. Dem hat Pakistan nun zunächst einen Riegel vorgeschoben.
Unklar bliebt, welches Spiel Pakistan genau spielt: Sind ihm Direktverhandlungen ein Dorn im Auge? Will es Baradar als Quelle nutzen? Will es den Weg für direkte Gespräche mit Mullah Omar frei machen oder will es ganz einfach andere Verhandlungspartner am Tisch haben? Das ist im Moment wohl noch Islamabads Geheimnis.