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Taliban auf Distanz zum früheren Terror-Mentor

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Tod Bin Ladens beflügelt die Friedensgespräche in Afghanistan. | Planung für die Zeit nach dem Nato-Abzug. | Neu Delhi. Taliban-Sprachrohr Zabibullah Mujahid ist normalerweise ein umtriebiger Pressesprecher: Der Medien-Profi der Aufständischen in Afghanistan lässt kaum einen Gelegenheit aus, Journalisten per E-Mail oder SMS über die neuste Entwicklungen zu briefen. Doch diesmal brauchte er über 36-Stunden, um ein offizielles Statement zum Tode von Osama bin Laden herauszubringen, der in der Nacht zum Montag von einem US-Sonderkommando getötet worden war.


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Die Taliban zogen in Zweifel, dass der Top-Terrorist wirklich tot sei: "Weil die Amerikaner keine wirklichen Beweise vorgelegt haben, (. . .) sehen die Islamischen Emirate diese Behauptung als voreilig an", hieß es.

Gleichzeitig hielten die islamistischen Kämpfer sich auffallend mit Lobpreisungen für den früher verehrten Al-Kaida-Chef zurück. Sprecher Zabibullah gab Journalisten sogar zu verstehen, der Kontakt zu Bin Laden sei praktisch eingeschlafen: "In den letzten Jahren konnten wir wegen des Krieges nicht mit Al-Kaida in Verbindung bleiben. Die meiste Zeit wussten unsere Anführer gar nicht, wo Osama war."

Nach Bin Ladens Tod beginnt neues Kapitel

Die vorsichtige Reaktion und die Distanzierung der Taliban, die Bin Laden einst als Gast beherbergten, legt die Frage nahe, ob die Aufständischen ihre Vergangenheit mit dem einst bewunderten Terror-Netzwerk hinter sich lassen und den bewaffneten Kampf beenden wollen. Einiges spricht dafür, dass nach dem Tode Bin Ladens ein neues Kapitel in Afghanistan aufgeschlagen wird.

Seit 2001 kämpfen die Aufständischen gegen Nato- und US-Soldaten am Hindukusch, nachdem die US-Truppen als Reaktion auf die Anschläge auf das World-Trade-Center in New York im September 2001 das damals von den Taliban regierte Afghanistan angegriffen hatten.

Nach fast zehn Jahren Krieg mit unklarem Ausgang wollen die USA aber im Juli dieses Jahres mit dem Abzug ihrer Truppen beginnen. Dazu müssen die Aufständischen ihre Waffen niederlegen und sich an der Regierung in Kabul beteiligen. Doch einem Friedensdeal mit dem aufständischen Taliban stand bisher Al-Kaida-Chef Bin Laden im Weg. Denn weil Al-Kaida der offizielle Kriegsgrund der USA ist, verlangt Amerika, dass die Taliban sich von dem Terrornetzwerk lossagen.

Bereits seit längererem informelle Gespräche

Informelle Gespräche über ein politisches Arrangement für die Zeit nach dem Abzug der Nato laufen schon länger, doch ernsthafte Verhandlungen gibt es noch nicht. Das könnte sich nun schlagartig ändern. Die Reaktion der afghanischen Taliban auf den Tod Bin Ladens deutet darauf hin.

Kaum beachtet traf sich bereits am Dienstag der US-Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, Marc Grossman, in Islamabad mit Vertretern Pakistans und Afghanistans: Osama sei nun Vergangenheit und "wir sollten über die Zukunft reden", sagte der amerikanische Spitzen-Diplomat. Denn bei den Verhandlungen über die politische Zukunft Afghanistans sitzt neben den aufständischen Taliban, der afghanischen Regierung und den USA auch Pakistan mit am Tisch. Afghanistans großer Nachbar bereitet sich auf die Zeit nach dem Abzug der Nato vom Hindukusch vor.

Auch den Pakistanis war klar, dass Osama längst eine Last für die Sicherung ihres Einflusses auf Afghanistan geworden war. Islamabad habe Washington den Al-Kaida-Führer auf dem Silbertablett serviert, um Pakistans Rolle im Endspiel in Afghanistan zu stärken, vermutet der indische Analyst M. K. Bahdrakumar in der indischen Zeitung "Mail Today". "Es war ein Tod, den man hätte vorhersagen können", meint er. "Bin Ladens Zeit war abgelaufen."