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Taliban beschießen Karzai

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Unruhe durch ethnische Spannung. | Karzai gilt als klarer Favorit. | Neu Delhi. Zwei Tage vor den Präsidentenwahlen in Afghanistan haben die aufständischen Taliban erneut die Hauptstadt Kabul ins Visier genommen. Am frühen Dienstagmorgen feuerten sie eine Rakete auf das Gelände des Präsidentenpalasts, ein zweites Geschoss schlug im Hauptquartier der Polizei ein. Später starben sieben Menschen, bei einem Selbstmordanschlag auf einen Nato-Konvoi in Kabul. Am Samstag kamen bei einem Anschlag vor der Nato-Zentrale in Kabul sieben Menschen ums Leben.


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Die Angriffe zeigen, wie angespannt die Situation vor den Wahlen am Donnerstag ist. Die aufständischen Islamisten haben angekündigt, die Abstimmung zu sabotieren und zu einem Boykott aufgerufen. Es kursieren Gerüchte, wonach Taliban Dorfbewohner gedroht haben, denjenigen, die zur Wahl gehen, einen Finger abzuschneiden. Doch die Taliban sind nicht der einzige Gefahrenfaktor bei der anstehenden Wahl. Frust über Wahlbetrug - ob angeblich oder tatsächlich - könnte die ethnischen Spannungen im Land wieder aufglühen lassen. Afghanistan beherbergt ein hochsensibles Völkergemisch, das noch in verschiedene Stämme und andere islamische Religionsrichtungen zerfällt.

Präsident Hamid Karzai gilt bei der Wahl als klarer Favorit. Der seit sieben Jahren regierende Paschtune aus Kandahar hat allerdings stark an Zuspruch in der Bevölkerung verloren. Es wird allgemein erwartet, dass Karzai in der ersten Wahlrunde nicht die erforderliche, absolute Mehrheit erhält und es zwei Monate später zu einer Stichwahl kommt. Karzai hat sich die Unterstützung von Ex-Milizenchef General Abduhl Rashid Dostum gesichert. Der für seine Brutalität berüchtigte "Warlord" gewann bei der letzten Präsidentenwahl zehn Prozent der Stimmen. Die dürfte Karzai dringend benötigen.

Wahlverzerrung sicher

Aufgrund der Sicherheitslage ist kaum absehbar, wer überhaupt ins Wahllokal gehen kann. Besonders im Süden des Landes, wo zum Großteil Paschtunen wohnen und Karzai daher seine Hochburg hat, könnten die Taliban die Wähler abschrecken. Für den Norden, wo hauptsächlich Tadschiken leben, die Karzais stärksten Rivalen, Abdullah Abdullah unterstützen, gilt die Einschränkung weniger. Allerdings gibt es aus dem Süden Berichte, wonach dort viele Frauen neu für die Wahl registriert worden seien. Da diese traditionell von ihren Männern in die Wahllisten eingeschrieben werden, und die Zahl der weiblichen Mitglieder eines Haushalts kaum zu kontrollieren ist, könnte das ein Indiz dafür sein, dass viele mehrfach wählen. Das Sicherheitsdefizit für Karzai könnte dadurch ausgeglichen werden.

Karzais Herausforderer Abdullah hat bereits angedeutet, dass er sich als Sieger sieht, "wenn sie uns die Stimmen nicht stehlen." Der frühere Außenminister hat seine Machtbasis bei den Tadschiken, die etwa 24 Prozent der Bevölkerung stellen. Sie geben in der neu aufgebauten afghanischen Armee und im Geheimdienst den Ton an. Sehr zum Verdruss der Paschtunen, die etwa 42 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Viele Paschtunen unterstützen die Taliban auch aus Rivalität gegen die Tadschiken.

EU-Wahlbeobachter haben bereits bescheiden erklärt, ihre Aufgabe sei es lediglich, "massiven Wahlbetrug" zu verhindern.