)
Faire Wahlen sind kaum möglich. | Waffenruhe in Provinz erkauft? | Neu Delhi/Kabul. "Es sind die kompliziertesten Wahlen, die ich je gesehen habe", stöhnte Kai Eide, der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für Afghanistan jüngst in Kabul. Der norwegische Diplomat ist Krisen und Kriege gewohnt: Eide war bereits UN-Gesandter in Bosnien und im Kosovo. Doch Afghanistan ist mehr als eine Herausforderung: Am 20. August soll am Hindukusch ein neuer Präsident gewählt werden. Doch beinahe kein Tag vergeht, an dem nicht Wahlkampfveranstaltungen beschossen oder Attentate auf Kandidaten verübt werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die aufständischen Taliban haben erwartungsgemäß zum Boykott der Wahl aufgreifen. Sie kündigten an, die Straßen zu den Wahllokalen zu blockieren. Die Afghanen sollten stattdessen lieber in den "Jihad", den Gotteskrieg gegen die westlichen Truppen ziehen, forderten sie.
Die Regierung hat zwar in der Provinz Badghis, im Nordwesten, einen Waffenstillstandsabkommen mit den Taliban geschlossen, um Wahlvorbereitungen in der Hochburg der Aufständischen treffen zu können. Der ganze Deal soll für rund 25.000 Euro gekauft worden sein, heißt es aus Diplomatenkreisen in Kabul. Die Taliban selbst bestreiten die Verhandlung, doch die Aufständischen sind selbst mehr ein loser Verband verschiedenster Gruppierungen, die unter diesem Namen operieren.
Die Wahl findet zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt statt: Wegen der Übergriffe der Taliban sind Teile des Landes im Süden und Osten für Regierungsbeamte, Entwicklungshelfer oder gar Wahlbeobachter nicht bereisbar. Ohne ihr Leben aufs Spiel zu setzen, können sich auch Präsidentschaftsbewerber in diesen Gegenden nicht mehr blicken lassen.
Mehr Militär?
Die Wahl fällt zudem mit einer der größten Offensiven der von den US-geführten Koalition zusammen, die 2001 mit ihrem Einmarsch in Afghanistan das damals herrschende Taliban-Regime stürzte. Bis Ende des Jahres wollen die Amerikaner ihr Kontingent verglichen mit Ende 2008 verdoppelt haben. Laut dem Pentagon sollen am Hindukusch inzwischen 101.000 US- und NATO- Soldaten stationiert sein. Der neue US-Oberkommandierende in Afghanistan Stanley McChrystal überlegt laut "Washington Post", noch mehr Truppen anzufordern. In jedem Fall will er die Stärke der afghanischen Armee deutlich erhöhen.