)
Widerstand der Islamisten nahm in letzten Monaten zu. | Rückhalt in Pakistan und im Iran. | Washington/Kabul/Wien. Das Pentagon hat einen Afghanistan-Bericht veröffentlicht, der dem Westen wenig Raum für Optimismus lässt. Der Widerstand der islamistischen Taliban habe im Zeitraum von April bis September 2010 beträchtlich zugenommen, heißt es in dem Papier, der Gegner erweise sich in den Bereichen Logistik, Kommando und Kontrolle als "widerstandsfähig". Unterstrichen wird der Ernst der Lage durch die ständig steigende Zahl der gefallenen Nato-Soldaten am Hindukusch.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Weniger zivile Opfer
Die Ankunft zusätzlicher Nato-Truppen - die internationalen Streitkräfte wurden zuletzt um 30.000 Mann aufgestockt - hat nicht die erhoffte Beruhigung der Lage gebracht. Das bestätigt das Pentagon jetzt offiziell. Die Gewaltakte der Taliban seien im Vergleich zum Jahr 2007 um 300 Prozent gestiegen, lediglich Bombenattentate hätten abgenommen. Die Taliban deponieren seit Jahren Sprengsätze am Straßenrand, die die Panzerung der Nato-Fahrzeuge durchschlagen und für einen großen Teil der Verluste auf Seite des Westens verantwortlich sind.
Die Zahl der zivilen Opfer ist laut Bericht gesunken. Das ist vor allem auf intensive Bemühungen der USA zurückzuführen, das kontinuierlich schwindende Wohlwollen der afghanischen Zivilbevölkerung zurückzugewinnen.
Bei der Rekrutierung von afghanischen Polizisten und Soldaten stößt der Westen allerdings auf Probleme, wie das Pentagon unumwunden zugibt. Viele Rekruten könnten weder lesen noch schreiben, es mangle an Offizieren. Die Nato will eine afghanische Streitmacht mit 300.000 Mann aufbauen, die dann schrittweise die Kampfaufgaben der Nato übernehmen soll. Allerdings sind die Behörden bei der Rekrutierung von Soldaten immer noch auf die Hilfe der Koalitionstruppen angewiesen. Öffentliche Aufgaben werden auch deshalb schlecht wahrgenommen, weil sich Afghanistans Staatsdiener nur zu oft als völlig korrupt erweisen. Bestechlichkeit habe "einen zersetzenden Einfluss auf alle Bemühungen", klagt deshalb das Pentagon. Schikanen und Machtmissbrauch durch die Behörden würden den Taliban mehr Sympathisanten in die Hände treiben als die Unfähigkeit des Staates, einfache Serviceaufgaben zu übernehmen.
Die Bemühungen der Nato, Nachschub für die Taliban aus dem Iran und aus Pakistan abzufangen, sind laut Bericht ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Vor allem in Pakistan finden die Taliban weiterhin Rückzugsmöglichkeiten vor.
Wahlbetrug
Der US-Oberbefehlshaber der Afghanistan-Truppen, David Petraeus, hat Hoffnungen auf rasche Truppenreduzierungen zuletzt wieder gedämpft. Die Nato will im kommenen Jahr mit dem Abzug beginnen, Ende 2014 soll er abgeschlossen sein. Bei einem Besuch in Berlin sagte Petraeus, dass ausländische Einheiten zwar regional durch afghanische ersetzt würden, die frei werdenden Kapazitäten müssten dann zum Teil aber andernorts als Verstärkung eingesetzt werden.
Berichte, wonach die Nato zuletzt mit einem Schwindler, der sich als Taliban-Führer ausgab, verhandelt habe, wurden nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von Petraeus indirekt bestätigt. Es hätten Gespräche mit verschiedenen Leuten stattgefunden, manche hätten sich als legitim erwiesen, über die Identität eines Taliban habe es aber Zweifel gegeben, sagte der US-General.
Unterdessen wurden in Afghanistan die Endergebnisse der Parlamentswahlen vom 18. September bekannt gegeben. Von den rund 400 weiblichen Bewerbern wurden immerhin 69 in die Volksversammlung gewählt. Insgesamt 24 Kandidaten, die nach vorläufigen Ergebnissen eigentlich eines der 249 Mandate erhalten hätten, wurden wegen Betrugs disqualifiziert. Unter den Ausgeschlossenen befinden sich auch Verbündete des Präsidenten Hamid Karzai, ein Cousin des von Washington gestützten Staatschefs soll darunter sein. Bei der zuständigen Beschwerdekommission waren zuvor über 6000 Eingaben eingegangen, die alle überprüft werden mussten. Aus Angst vor Vergeltung der Taliban hatten im September nur 40 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.
Weil es in Afghanistan keine etablierten Parteien gibt, ist auch nach der offiziellen Bekanntgabe der Wahlergebnisse eines nicht erkennbar: Ob Präsident Karzai nun im Parlament über eine Mehrheit verfügt oder nicht.