Im Swat-Tal im Norden Pakistans terrorisieren lokale Fundamentalisten die Bevölkerung. | Lahore. Das idyllische Swat-Tal im Norden Pakistans war früher ein beliebtes Ferienziel. Nun kontrollieren die lokalen Taliban weite Teile des Tales, zerstören Schulen, richten Sharia-Gerichte ein und terrorisieren die Bevölkerung. Wer kann, flieht. Ein Drittel der 1,5 Millionen Bewohner soll inzwischen das Tal verlassen haben.
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Amjad Islam war kein Ungläubiger. Der Schullehrer aus Matta kannte den Koran und die Suren, er hat in den 80er Jahren als "Jihadi" in Afghanistan gegen die sowjetischen Truppen gekämpft. Doch all das hat ihn nicht gerettet. Taliban im pakistanischen Swat-Tal töteten ihn, weil er sich weigerte, seine Hosen hochzukrempeln. Nicht mal die Taliban in Afghanistan in den 90er Jahren hätten verlangt, die Hosen nach Art des Propheten knöchelfrei zu tragen, hatte Islam den lokalen Extremisten erklärt. Im Januar erhängten sie ihn auf dem Marktplatz von Mingora und erschossen Islams Vater.
Fundamentalisten weiten Einfluss aus
Der Einfluss der Regierung reicht nur noch in und um Mingora, die Hauptstadt der Region. Doch auch dort ist keiner mehr sicher. Die pakistanische Armee verspricht regelmäßig, das Tal wieder zurückzuerobern. Doch die Fundamentalisten weiten ihre Herrschaft aus.
Ihr Einfluss schwappt sogar auf angrenzende Gebiete über. "Die Taliban sind überall, aber die Armee nur hinter Barrikaden", sagen verängstigte Einwohner. Viele hegen den Verdacht, dass die pakistanische Armee und die Taliban zwei Seiten der selben Münze sind, wie Lala Afzal Khan, ein Politiker der liberalen Awami National Party kürzlich erklärte.
Die Armee ist seit 2007 in dem Gebiet nahe der afghanischen Grenze stationiert, um gegen die Extremisten zu kämpfen. Die Wurzel der Krise geht in die Regierungszeit von Ex-Präsident Pervez Musharraf zurück.
Nach der Invasion der US-Allianz im Dezember 2001 in Afghanistan ließ Pakistans Armee Taliban- und Al-Kaida-Kämpfer über die Tora-Bora-Bergkette nach Pakistan kommen und gewährte ihnen Zuflucht im Grenzgebiet. Der herrschenden Sicherheitsdoktrin zufolge wollte man die Gotteskämpfer als strategische Aktivposten gegen Indien pflegen.
Die Allianz zwischen den Militärs und den Mullahs machte es lokalen Möchte-Gern-Taliban möglich, Macht zu gewinnen und Gefolgsleute anzuwerben. Anfang 2007 begann der radikale Prediger Maulana Fazlullah, die Bevölkerung im Swat-Tal zu terrorisieren, wenig später erhielt er Unterstützung von Baitullah Mehsud, dem Chef der Tehrik e-Taliban Pakistan. Die marodierenden Extremisten haben seitdem mindestens 150 Schulen niedergebrannt, zahllose Friseurläden und CD-Shops zerstört, Frauen von den Märkten verbannt und ihre eigenen Gerichte eingesetzt. Mädchen ist seit dem 15. Januar der Schulbesuch verboten. Wer sich widersetzt oder allein nur "liberaler Ansichten" verdächtig wird, wird geköpft.
Das "Oberstes Gericht" der Taliban im Dir-Distrikt spuckt von morgens bis abends Schnell-Urteile nach islamischem Recht aus. "Schau Dir diese Jungen an", sagt ein älterer Mann in der Gegend einer pakistanischen Zeitung. "Früher haben die von dem leben müssen, was im Dorf übrig blieb. Sie galten als Burschen mit schwachem Charakter. Nun leiten sie höhere Gerichte."
Premier sieht "fremde Hand" im Spiel
Obwohl die Talibanisierung ein hausgemachtes Problem ist, lenken Pakistans Politiker die Schuld an der Misere gern auf andere. Premier Yusuf Raza Gillani sagte, eine "fremde Hand" sei im Swat im Spiel. Er deutete an, es gebe eine Geheimstrategie, um das Problem zu lösen. Doch das wird
die Menschen im Swat-Tal kaum beruhigen.