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Taliban-Militärchef Baradar in Haft

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Festgenommener gilt als Nummer zwei der Taliban. | Einfluss auf derzeitige Offensive fraglich. | Neu Delhi. Der oberste militärische Befehlshaber der Taliban, Mullah Abdul Ghani Baradar, ist bei einer gemeinsamen Aktion pakistanischer und amerikanischer Geheimdienste gefangen genommen worden. Baradar soll schon am Donnerstag vergangener Woche in Pakistans Hafenmetropole Karachi festgenommen worden sein. US-Quellen bestätigten einen entsprechenden Bericht der "New York Times". Ein Sprecher der Taliban bestritt dies hingegen. Pakistans Innenminister Rehman Malik bezeichnete die Berichte über die Festnahme als Propaganda.


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Washington hofft, dass die Festnahme von Baradar den Aufstand der Taliban im Süden Afghanistans schwächt, wo die Nato gerade eine groß angelegte Offensive mit 15.000 Soldaten gestartet hat. Der über Interpol steckbrieflich gesuchte Baradar leitete das Kommando der aufständischen Radikal-Islamisten in Afghanistan, nachdem Taliban-Chef Mullah Omar vor über drei Jahren von der Bildfläche verschwunden war.

Der etwa 45-jährige Taliban-Führer, der aus der afghanischen Provinz Uruzgan stammt, gilt als die Nummer zwei nach Mullah Omar. Er ist der ranghöchste Taliban-Chef, der seit Beginn des Afghanistan-Krieges 2001 gefangen genommen wurde.

Unklar ist jedoch, wieweit sich die Festnahme von Baradar unmittelbar auf die Kämpfe zwischen den Taliban und den Nato- und US-Truppen auswirkt. "Es ist unwahrscheinlich, dass ein einziges Individuum als Nabelschnur zwischen der Führungsriege der Aufständischen und ihren Militärkommandeuren im Feld fungierte, besonders bei einer Guerilla-Organisation wie den Taliban", kommentierte der amerikanische Think-tank Stratfor.

Beobachter halten es auch für möglich, dass die Taliban-Führung selbst Baradar an pakistanische Stellen ausgeliefert hat und jene Baradar dann an die Amerikaner weitergaben, gerade weil offenbar der pakistanische Geheimdienst eine große Rolle bei der Festnahme des Taliban-Führers spielte. Zudem wurde Baradar auf pakistanischem Boden gefangen. Auch das deutet darauf hin, dass die USA und Pakistan in Sachen Afghanistan nun wieder enger zusammenarbeiten. Pakistan ist ein wichtiger Akteur in Afghanistan. Ohne die Kooperation des Nachbarn ist ein dauerhafter Frieden am Hindukusch kaum möglich. Weil die Taliban-Führungsriege um Mullah Omar den Vermutungen nach im pakistanischen Quetta sitzt, dürfte Pakistan eine zentrale Rolle bei Friedensverhandlungen mit den Aufständischen in Afghanistan zufallen.